Die extreme Rechte in Lateinamerika und ihre transnationalen Netzwerke

Die extreme Rechte in Lateinamerika hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Während sie lange Zeit als Randerscheinung galt, zeigt die Wahl rechtsextremer Politiker wie Jair Bolsonaro in Brasilien oder Javier Milei in Argentinien, dass rechtspopulistische und autoritäre Tendenzen auch in dieser Region verstärkt auftreten

Ein Hintergrundpapier des LAF Berlin für eine Veranstaltung
Luiz Ramalho, März 2025

La nueva ultraderecha (nU): Formas políticas y comunicacionales para enfrentarla, Hugo Calderón.

Einleitung

Die extreme Rechte in Lateinamerika hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Während sie lange Zeit als Randerscheinung galt, zeigt die Wahl rechtsextremer Politiker wie Jair Bolsonaro in Brasilien oder Javier Milei in Argentinien, dass rechtspopulistische und autoritäre Tendenzen auch in dieser Region verstärkt auftreten. Diese Bewegungen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern Teil eines transnationalen Netzwerks, das sich durch ideologische Gemeinsamkeiten und strategische Kooperationen auszeichnet. Besonders bemerkenswert ist die Verflechtung mit globalen Strömungen der extremen Rechten, wie etwa dem Trumpismus in den USA oder dem Vox-Netzwerk in Spanien.

Historische Entwicklung der Rechten in Lateinamerika

Die politische Landschaft Lateinamerikas wurde in den 2000er Jahren stark von linken Regierungen geprägt, was oft als „goldenes Zeitalter“ der Linken bezeichnet wird. Die anhaltend hohe soziale Ungleichheit verschaffte progressiven Parteien einen Vorteil, da sie durch sozialstaatliche Maßnahmen breite Zustimmung fanden. Dennoch existierte eine konservative Gegenbewegung, die sich zunächst in etablierten rechten Parteien ausdrückte, jedoch zunehmend radikalisiert wurde. Dies führte zur Herausbildung einer „neuen Rechten“, die sich weniger über wirtschaftsliberale Forderungen als vielmehr durch Angriffe auf sogenannte „progressive“ Werte definierte. Themen wie Abtreibung, LGBTQ+-Rechte und indigene Autonomie wurden zunehmend instrumentalisiert, um gesellschaftliche Spaltungen zu vertiefen.

Ideologische Grundzüge und Mobilisierungsstrategien

Die extreme Rechte in Lateinamerika verbindet verschiedene ideologische Elemente: ein starker Nationalismus, die Ablehnung des Liberalismus, eine konservative Sozialordnung und eine autoritäre Vorstellung von Staat und Gesellschaft. Besonders auffällig ist ihre Fokussierung auf kulturelle Identitätsfragen, die als Waffe gegen progressive Bewegungen genutzt werden. Evangelikale Gruppen spielen dabei eine zentrale Rolle, da sie durch ihre moralischen Positionen als Mobilisierungsplattformen dienen. Ein weiteres zentrales Element ist die Forderung nach harter Kriminalitätspolitik, die in der öffentlichen Wahrnehmung als Alternative zu angeblich nachgiebigen linken Sicherheitskonzepten dargestellt wird.

Transnationale Netzwerke und globale Verbindungen

Die extreme Rechte in Lateinamerika ist zunehmend in internationale Netzwerke eingebunden. Diese transnationalen Verflechtungen erfolgen auf mehreren Ebenen:

  • Ideologische Vernetzung: Es bestehen enge ideologische Bezüge zur Alt-Right-Bewegung in den USA sowie zu rechtsextremen Parteien in Europa. Besonders einflussreich ist die Verbindung zum Trumpismus, der als Vorbild für viele lateinamerikanische Politiker dient.
  • Institutionelle Kooperationen: Organisationen wie das „Foro Madrid“ (initiiert von der spanischen Vox-Partei) und die „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) in Brasilien fungieren als Plattformen für den Austausch zwischen rechtsextremen Bewegungen aus verschiedenen Ländern.
  • Medienstrategien: Digitale Plattformen, insbesondere soziale Netzwerke, sind entscheidend für die Verbreitung rechtsextremer Diskurse. Akteure wie Steve Bannon spielen eine zentrale Rolle bei der internationalen Vernetzung und digitalen Mobilisierung.
  • Wirtschaftliche Netzwerke: Finanzielle Unterstützung durch konservative Think-Tanks und Unternehmen fördert die institutionelle Verankerung dieser Bewegungen. Besonders die Fundación Internacional para la Libertad (FIL) des peruanischen Schriftstellers Mario Vargas Llosa ist eine der einflussreichsten neoliberalen Denkfabriken mit Verbindungen zur extremen Rechten.

Fallstudien: Brasilien, Argentinien und Chile

  • Brasilien: Der Aufstieg Bolsonaros und seiner Bewegung verdeutlicht die Verbindung zwischen rechter Ideologie und autoritärer Regierungspraxis. Während seiner Amtszeit (2019-2023) wurden Institutionen geschwächt, der Umweltschutz zurückgefahren und LGBTQ+-Rechte attackiert. Die Nähe zu Steve Bannon und zur Trump-Bewegung zeigt den globalen Charakter der brasilianischen extremen Rechten.
  • Argentinien: Javier Milei repräsentiert eine besondere Form des Rechtspopulismus, der radikalen Neoliberalismus mit extrem konservativen gesellschaftlichen Vorstellungen kombiniert. Seine Positionierung gegen feministische und soziale Bewegungen sowie seine wirtschaftspolitische Agenda erinnern stark an internationale rechtsextreme Tendenzen.
  • Chile: José Antonio Kast und sein Partido Republicano verdeutlichen, wie sich rechte Bewegungen aus dem Mainstream heraus radikalisieren. Während Kast aus der traditionellen Rechten stammt, grenzt er sich durch seine ultrakonservativen Positionen zu sozialen Themen und seine autoritäre Politikvorstellungen ab.

Schlussfolgerung und Ausblick

Die extreme Rechte in Lateinamerika ist keineswegs ein isoliertes Phänomen, sondern Teil einer globalen Bewegung. Ihre transnationalen Verbindungen verstärken ihre politische Wirkung und ermöglichen eine strategische Kooperation mit internationalen Akteuren. Während sie in den vergangenen Jahren an Einfluss gewonnen hat, bleibt die Frage offen, wie widerstandsfähig demokratische Institutionen gegenüber diesen Entwicklungen sind. Der Kampf gegen die extreme Rechte erfordert nicht nur eine nationale, sondern auch eine transnationale Strategie, die sowohl politische als auch gesellschaftliche Gegenmaßnahmen umfasst. Besondere Bedeutung kommt hierbei der digitalen Informationssphäre zu, die als Hauptarena für rechtsextreme Mobilisierung dient. Die Zukunft der Demokratie in Lateinamerika wird wesentlich davon abhängen, wie erfolgreich progressive Kräfte diesen Herausforderungen begegnen können.

 

Luiz Ramalho ist Vorsitzender des LAF Berlin e.V., Soziologe und unabhängiger Entwicklungsberater.