Elementos mínimos para combatir el crimen organizado y la captura de estado, DPLf, Washington D.C.
Was kann gegen Organisierte Kriminalität und Unterwanderung von Staaten in Lateinamerika getan werden?
Daniel Kempken, 05.03.2024
Die Grundlage des Vorgehens gegen Organisierte Kriminalität und Unterwanderung von Staaten ist ein Dreiklang aus starken staatlichen Institutionen, Artikulation der Zivilgesellschaft und internationaler Unterstützung. Besonders wirksame Instrumente sind hierbei Maßnahmen zur Bekämpfung von Geldwäsche, die Beschlagnahmung von illegal erworbenen Vermögenswerten sowie die öffentliche Aufdeckung von kriminellen Machenschaften und von Fällen der Unterwanderung staatlicher Institutionen.
In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass lateinamerikanische Staaten mehr und mehr von der Organisierten Kriminalität bedroht werden. Vielfach findet eine Unterwanderung von staatlichen Institutionen statt. Diese Entwicklung geht einher mit einer extremen Zunahme des Drogenhandels. Die Kokainproduktion hat sich weltweit in den letzten 10 Jahren verdoppelt, wobei Lateinamerika eine zentrale Rolle spielt. Das vor 5 Jahren noch stabile und relativ sichere Ecuador ist ein besonders drastisches Beispiel. Auch in Ländern mit gefestigter Staatlichkeit und geringer Korruption wie Costa Rica und Chile gibt es besorgniserregende Anzeichen und Entwicklungen.
Für den gesamten Subkontinenten stellt sich daher die Frage, welche Mindestvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um das Organisierte Verbrechen und die Unterwanderung von Staaten zu bekämpfen.
Starke und effiziente staatliche Institutionen können sowohl gute Präventionsarbeit leisten als auch einen hohen Ermittlungsdruck aufbauen und Straflosigkeit reduzieren. Sie sind ein zentrales Element für die wirksame Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Entsprechend versucht Organisierten Kriminalität, wo immer möglich diese Institutionen zu schwächen und mit möglichst vielen Personen ihres Vertrauens zu unterwandern.
Im Extremfall der sog. Grand Corruption gibt es eine bewusste und gewollte Zusammenarbeit von staatlichen Stellen, korrupten Unternehmen und kriminellen Organisationen. Je ausgeprägter eine solche Konstellation ist, desto komplizierter wird es für integre Regierungen, Parlamente oder Justizorgane, gegen die ungesetzlichen Kräfte vorzugehen. Aktuell ist die mit einer klaren Antikorruptionsagenda angetretene Regierung des neuen guatemaltekischen Präsidenten Arévalo solch starken, kriminellen Widerständen ausgesetzt.
Mindestvoraussetzung im institutionellen Bereich sind geeignete Auswahlverfahren insbesondere für Richter:innen und Staatsanwält:innen. Für die Strafverfolgung verantwortliche Personen dürfen ausschließlich nach objektiven Kriterien der Eignung, Integrität, Zuverlässigkeit und Fähigkeit besetzt werden. Es muss ein Verfahren gefunden werden, welches sowohl politische Einflussnahme als auch die Einwirkung von Interessengruppen oder gar der Organisierten Kriminalität ausschließt.
Bestehende integre Institutionen müssen in ihrer Unabhängigkeit und in ihren Kapazitäten gestärkt werden. Dies bedeutet zum einen die Schaffung bzw. den Erhalt eines entsprechenden rechtlichen Rahmens, der die Unabhängigkeit
von Justiz und Strafverfolgungsbehörden garantiert. Zudem sind Unabhängigkeit und Integrität eherne Prinzipien der Gerichtsbarkeit, welche einander bedingen und sich gegenseitig verstärken, um auf diese Weise Korruptionsgefahren innerhalb der Justiz vorzubeugen. Mit den Bangalore Principles of Judicial Conduct ist ein internationales Regelwerk der justiziellen Integrität vorhanden, welches es umzusetzen gilt.
Das drastische Beispiel Ecuador zeigt, das Haftanstalten nicht nur zu Parallelwelten und Schulen des Verbrechens entarten können. Sie können zu Kommandozentralen der Organisierten Kriminalität werden. Daher ist eine effiziente und von sachfremden Einflüssen freie Verwaltung der Gefängnisse von größter Bedeutung.
Je größer der Einfluss der Organisierten Kriminalität auf das Staatswesen eines Landes ist, desto mehr braucht es die eindeutige Artikulation und den Druck der Zivilgesellschaft. Soweit demokratische Prinzipien nicht de jure oder de facto durch eine Autokratisierung des politischen System außer Kraft gesetzt sind, können Bürgerinnen und Bürger durch ihre Stimme bei den Wahlen ein deutliches Zeichen gegen Korruption und Unterwanderung des Staates setzen; dies ist 2021 in Honduras und 2023 in Guatemala geschehen.
Der Druck von der Straße kann das politische Geschehen positiv beeinflussen. Dies ist bei der Amtseinführung von Präsident Arévalo und auch bei der Einrichtung der Rechtsstaatsmissionen CICIG in Guatemala und MACCIH in Honduras geschehen. Durch Observatorien, die von Organisationen der Zivilgesellschaft eingerichtet werden, kann Transparenz geschaffen werden. Auf diese Weise kann Fehlentwicklungen durch Schaffung von Öffentlichkeit entgegengewirkt werden.
Über Organisationen der Zivilgesellschaft kann zudem Opfern von Korruption und Organisierter Kriminalität eine Stimme gegeben werden. Dies kann auch dann eine wichtige Rolle spielen, wenn durch das staatliche Vorgehen gegen Organisierte Kriminalität rechtsstaatliche Prinzipien und Menschenrechte konkret gefährdet sind, wie dies aktuell in El Salvador zu beobachten ist.
Die harte, aber etwas differenziertere Vorgehensweise der ecuadorianischen Regierung zeigt, wie schwierig es ist, eine richtige Balance zwischen notwendiger Repression gegenüber dem organisierten Verbrechen und der Achtung der Menschenrechte zu finden. Die international allgemeinverbindlichen Menschenrechte müssen als notwendiges Kriterium in den Katalog der Mindestvoraussetzungen der Verbrechensbekämpfung aufgenommen werden.
Besonders in Fällen fortgeschrittener Unterwanderung von Staaten gewinnt die Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft große Bedeutung. Dies kann eine politische Unterstützung sein, wie sie zurzeit der neue guatemaltekische Präsident benötigt.
Die Unterstützung kann aber auch dazu dienen, Reformen und Verfahren im Bereich des Strafrechtes durch internationale Präsenz rechtsstaatlich abzusichern. Das weitreichendste Modell ist dabei der Vorschlag eines Internationalen Antikorruptionsgerichtshofs, bei dem die erforderliche Unabhängigkeit der Richter:innen gewährleistet wäre. Es bestehen allerdings nur geringe Chancen, dass ein solcher Gerichtshof kurzfristig eingerichtet werden kann. Auch hybride Missionen wie CICIG, MACCIH oder die mögliche CICIH für Honduras stehen für die Unabhängigkeit der Rechtsprechung in den notwendigen Strafverfahren.
In den letzten Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Bekämpfung von Geldwäsche verbunden mit Vermögensabschöpfungen probate Mittel zur Bekämpfung von Korruption und Organisierter Kriminalität sind. Das durch die kriminellen Handlungen erworbene Vermögen ist die Achillesferse der Organisierten Kriminalität. Daher muss im Rahmen der Ermittlungen der Weg des Geldes verfolgt werden. Instrumente der Finanzermittlung sowie der Beschlagnahmung und Einziehung von Vermögenswerten müssen vorhanden und genutzt werden.
Regierungen von Ländern, die in besonderem Maße von der Organisierten Kriminalität unterwandert sind, stehen möglicherweise vor einem Dilemma. Wenn die Wirtschaft und Investitionen zu nicht unwesentlichen Teilen von illegal erworbenem Vermögen abhängig sind, kann ein konsequentes Vorgehen gegen Geldwäsche der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes schaden und Unzufriedenheit in der Bevölkerung hervorrufen. Es stellt sich daher die Frage nach dem politischen Willen, ernsthaft gegen Geldwäsche vorzugehen. Hilfreich kann auch in diesen Fällen sein, wenn bereits starke, integre und unabhängige Institutionen bestehen, die Ermittlungen, Beschlagnahmungen und Strafverfolgung effizient wahrnehmen können.
Gerade bei der Verfolgung von Korruption und Geldwäschedelikten ist eine Verbesserung der Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen außerhalb der eigentlichen Strafverfolgung wie z.B. Bankenaufsicht, Finanzbehörden oder Rechnungshöfen unverzichtbar. Aufgrund des transnationalen Charakters der Geldflüsse gewinnen Rechtshilfe und internationale Zusammenarbeit eine besondere Bedeutung.
Als sehr nützlich hat sich die Zusammenarbeit mit Kronzeugen erwiesen. Zudem müssen Wege gefunden werden, die oft massiv bedrohten Staatsanwält:innen und Richter:innen wirksam zu schützen.
Es ist bisher noch keinem lateinamerikanischen Land gelungen, eine allgemeingültige, ganzheitliche Strategie gegen die Organisierte Kriminalität und die Unterwanderung von staatlichen Institutionen zu entwickeln. Eine konkrete, multidisziplinäre Analyse in den betroffenen Länder ist unverzichtbar. Aus dieser muss sich u.a. ergeben, welche der genannten Mindestelemente konkret anwendbar sind. Ausgangspunkt ist in der Regel ein Dreiklang aus starken staatlichen Institutionen, Artikulation der Zivilgesellschaft und internationaler Unterstützung.
Es ist immer hilfreich, Transparenz zu schaffen und die konkreten Machenschaften der Organisierten Kriminalität mit ihren oft drastischen Konsequenten für die Menschen sichtbar zu machen. Dies gilt gleichermaßen für die Unterwanderung von staatlichen Institutionen durch Personen, die Privatinteressen vertreten oder gar kriminelle Interessen in Legislative, Exekutive oder Jurisdiktion zur Geltung bringen wollen. Hier müssen Ross und kriminelle Reiter so klar wie möglich benannt werden.
Daniel Kempken ist freier Berater für Rechtsstaatsförderung und Antikorruption und u.a. ehrenamtlich bei Transparency Deutschland sowie dem Lateinamerika-Forum Berlin tätig. Von 2017 bis 2019 war er Referatsleiter für Governance, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.