Entwicklung und Bewahrung Amazoniens in Zeiten des Klimawandels. 20 Jahre CES Rioterra

In kaum einem anderen Gebiet war die Vernichtung des Urwalds so schnell und so massiv in den letzten Jahrzehnten wie in Rondônia, im Westen Brasiliens gelegen. Gelockt durch die Militärregierung kamen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jh. zur „Integration“ des Landes Hunderttausende SiedlerInnen aus dem Süden (vor allem Paraná)  und dem Nordosten […]

In kaum einem anderen Gebiet war die Vernichtung des Urwalds so schnell und so massiv in den letzten Jahrzehnten wie in Rondônia, im Westen Brasiliens gelegen. Gelockt durch die Militärregierung kamen in den 70er und 80er Jahren des 20. Jh. zur „Integration“ des Landes Hunderttausende SiedlerInnen aus dem Süden (vor allem Paraná)  und dem Nordosten nach Amazonien. Es folgten  Glücksritter, evangelikale Sekten, Bergbau und Agrobusiness.
Vor dem Hintergrund des Klimawandels, einer extremen Trockenheit und einem Präsidenten, der nur den Devisen bringenden ökonomischen Nutzen in Amazonien erkennt, schaffte es die Region  dieses Jahr dank der „queimadas“ (sprich Brandrodung und Waldbrände) ab Mitte August in die internationalen Schlagzeilen.

In diesem rauchgeschwängerten Kontext fand in Porto Velho/Rondônia ein mehrtägiges Seminar mit dem Titel
„Perspectivas Florestais para Conservação da Amazônia. Articulação em Redes: Desenvolvimento e conserva
ção frente as mudanças climáticas“
vom 14. bis 16. August 2019 statt, an dem der Vorsitzende des LAF Berlin e.V. teilnehmen konnte.
Eingeladen hatte die brasilianische Nicht-Regierungsorganisation CES Rioterra, die ihr 20-jähriges Bestehen feierte.  Auf dem Seminar stellten NGOs der Bundesstaaten Rondônia, Mato Grosso, Acre und Amazonas – darunter SOS Amazônia, Pactos das Aguas und OPAN – ihre Arbeit vor. Sie vereint das Anliegen, bei Erhalt des Waldes zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kleinbauernfamilien und „traditionellen Völkern“ (indígenas, seringueiros, quilombolas, ribeirinhos) beizutragen. Das Seminar war professionell organisiert, die Redebeiträge zeugten von Engagement für Wald und „Zielgruppen“, langjährigen Erfahrungen und profundem Wissen. An dem Seminar im Theater Guaporé nahmen täglich rund 250 Personen teil, überwiegend Studierende der Biologie und Geographie. An die Konferenz schloss sich eine dreitägige Exkursion für die ReferentInnen zu Projekten von Rioterra und dem Pacto das Aguas an: Aufzuchtanlagen und Baumschulen, Bekämpfung von Bodendegradation, Erneuerbare Energien. Höhepunkt war der Besuch der neuerdings wieder durch einen Staudamm bedrohten Ethnien Gavião und Arara, die ihre Subsistenzlandwirtschaft durch den Verkauf von Pará-Nüssen und Açai ergänzen.

Selten zuvor waren Letztere in ihrer Existenz so bedroht wie heute durch legalen wie illegalen Holzeinschlag und Bergbau, Straßen- und Staudammbau, durch Viehzüchter und Sojaproduzenten, die immer weiter auch in die unter Schutz stehenden Gebiete vordringen. Explizit ermuntert werden sie dazu vom Präsidenten des Landes.
Selten zuvor war das Engagement von Nicht-Regierungsorganisationen so wichtig wie heute. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Der Präsident vermutet sie, die UmweltschützerInnen, hinter den Bränden. Das sagt schon alles.
Finanziert werden die betr. NGOs und die von ihnen unterstützten Entwicklungsprojekte überwiegend aus Mitteln des Programa Petrobrás Socioambiental  (Semeando Sustentabilidade) und des Amazonien-Fonds
(Programa Plantar hauptsächlich von Norwegen bestückt, € 1,2 Mrd €).

Letzterer ist wie bekannt seit Januar 2019 nach Intervention des Präsidenten lahmgelegt. In der Folge fror Norwegen seine Hilfe für den Fonds ein, ähnlich wie bereits zuvor das Bundesumweltministerium sein Engagement in Brasilien über die Internationale Klima-Initiative (IKI). Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) wechselte den Haupt-Projektpartner vom Umwelt- zum nicht unumstrittenen Landwirtschaftsministerium.  An eine Einstellung der Zusammenarbeit denken BMZ und GIZ nicht.

Sehr nachvollziehbar, dass brasilianische Organisationen heute ihr Heil in direkten Kontakten mit internationalen Einrichtungen suchen. So gründeten jüngst acht der oben erwähnten NGOs einen lockeren Verband namens  Agência Internacional de Cooperação  Amazônica AICA[ mit dem Ziel, als Netz mehr Wirkung in Verhandlungen zu erzielen – und in Deutschland ein Verbindungsbüro zu eröffnen. Das LAF Berlin e.V. unterstützt dieses Vorhaben im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Hier erfahren Sie mehr zu dem Seminar und Exkursion: mehr lesen

Am 7. November 19 Uhr bietet das LAF Berlin zusammen mit anderen  eine Veranstaltung zur Frage „Können Entwicklungsprojekte Amazonien retten? an mit Schwergewicht auf die nicht-staatliche Entwicklungsarbeit, bei der unter anderem Dr. Alexis Bastos (Rioterra) AICA vorstellen wird.

Empfehlen möchten wir auch die Linksammlung auf dieser Homepage zu Amazonien:  www.lateinamerikaforum-Berlin.de

Der AICA gehören an: Rioterra, SOS Amazônia, Pacto das Aguas, Operação Amazonia Nativa, ADERJUR, FETAGRO, ECOPORÈ und Cinema Nosso.

Am 6. Oktober hat die Papst-Synode in Rom zu Amazonien begonnen, massiv unter Beschuss rechtskatholischer Kreise und der brasilianischen Regierung.

Text und Fotos: Werner Würtele

Foto Credits Beitragsbild: Unsplash, Vinicius Löw