„Die Zapatistas in Mexiko und ihre Wandmalereien“
Vortrag von Univ.-Prof. Dr. habil. Raina Zimmering, Historikerin, Politologin, Soziologin, Lateinamerikanistin. Im LAF am 21.09.2017
Der gut besuchte Vortrag stand unter dem aktuellen Eindruck zahlreicher Naturkatastrophen in Zentralamerika, der Karibik und den Südstaaten der USA. In Mexiko hatte ein schreckliches Erdbeben vielen Menschen den Tod gebracht und dabei eine unglaubliche Welle an Mitgefühl und Solidarität ausgelöst – was nicht so richtig zu der ansonsten im Land herrschenden brutalen Gewalt (vgl. LAF Veranstaltung am 16.08.2017) passen wollte. Mit Unterstützung der Regierung rechnete niemand, Selbsthilfe war angesagt. Womit wir schon bei den Zapatistas wären:
Die indigene Bewegung der Zapatistas im südlichen Mexiko weist weltweit einzigartige Züge auf.
Schlaglichter aus dem Vortrag von Frau Zimmering
Zeitgleich mit Inkrafttreten des Freihandelsabkommens NAFTA, das Hunderttausenden Kleinbauern in Mexiko den Ruin brachte (und in bestimmten Branchen der USA zu massiven Arbeitsplatzverlusten führte), schlugen die Zapatistas am 1.1.1994 los und besetzten das Gebiet – ihr Gebiet – im südlichen Mexiko. Die Zapatistas als Aufstandsbewegung gegen den Neoliberalismus.
Im Unterschied zu früheren revolutionären Bewegungen zielten sie nicht auf die Eroberung der Macht im Staat, sondern primär auf Autonomie und Selbstverwaltung in Chiapas. Die Referentin beschrieb die Zapatistas als solidarisch, libertär, basisdemokratisch mit anarchistischen Zügen. Ihre Waffen sollten nur der Selbstverteidigung dienen. Diese sind gegen paramilitärische Banden weiterhin unverzichtbar.
Die mit ihren Sturmhauben – sind das nicht Terroristen? „Seit wir unsere Gesichter verdecken, sehen und beachten sie uns“. Jahrhundertelang wurden die Indigenen von den herrschenden Weißen und Mestizen mit Nichtbeachtung bedacht.
- Die Zapatistas sind keine separatistische Bewegung, sie wollen im nationalen Verband bleiben. In ihren Wandmalereien (murales) ist auch die mexikanische Fahne zu sehen, neben Emiliano Zapata, Che Guevara und der Virgen de Guadalupe, die als Zapatista verewigt ist.
- Sie sind eine revolutionäre Bewegung, sehen sich aber nicht als solche. Wie das? Das liegt daran, dass in Mexiko der Begriff „Revolution“ von der Partei der Institutionalisierten Revolution PRI seit 1929 okkupiert wird.
- Die Zapatistas erreichten in Verhandlungen mit der Zentralregierung ein Waffenstillstandsabkommen und eine weitgehende Autonomie der Region.
- Unterstützt wurden die 1983 erstmals in Erscheinung getretenen Zapatistas durch linke Intellektuelle aus dem Universitätsbereich, siehe der so anschlussfähige Sub-Comandante Marcos. Die Zapatistas genossen und geniessen weiterhin die Sympathie der großen Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung.
- Ihr oberstes Entscheidungsgremium ist die Versammlung (asamblea), die die Vorhaben und „Regierenden“ bestimmt, wobei alle mal mit dem Regieren rotativ „drankommen“.
- Die Zapatistas vereinen verschiedene Ethnien und Sprachen mit rund 300.000 Menschen
- Sie sind national und international hervorragend vernetzt.
Die Kunst der Wandmalerei hat in Mexiko eine besondere und lange Tradition (Siqueros, Orozco, Diego Rivera) und ist fester Bestandteil politischer Kultur.
- Die murales werden von den Zapatistas als Teil ihrer zivilen Kampfmethoden gesehen und genutzt, gemäß dem Motto “Kampf der Worte, Kampf der Bilder”.
- Die ursprünglichen murales sind partizipativ angefertigt worden. Inzwischen sind auch Ausländer/innen an den Malereien beteiligt.
- Sie wurden zum Exportartikel und gelangten in alle Welt. Dabei wurden sie auch von anderen Künstlern aufgegriffen, u. a. in Chicago, Valencia, Köln u.v.m. Auch die Street-Art Szene bediente sich in der Vergangenheit oftmals zapatistischer Motive.
- Murales transportieren politische Motive und Botschaften. Neben Mexiko sind besonders die Wandmalereien in Chile, entstanden zur Zeit der Unidad Popular und in Nicaragua mit der sandinistischen Revolution zu erwähnen. Es wundert nicht, dass diese revolutionäre Kunst immer auch zum Objekt der Zerstörung durch die Gegner der Befreiungsbewegungen wurde.
Können Wandmalereien ein spannendes Thema für einen LAF-Abend sein? Im Vorfeld gab es Zweifel.
Frau Zimmering verstand es, uns über die murales die besondere Welt der Zapatistas, ihr Leben, ihren Kampf kompetent-engagiert näher zu bringen. Der Beifall am Schluss war mehr als angebracht.
Beitrag von Isabel Moreno (Praktikantin) und Werner Würtele (LAF Präsident)
Fotos murales: © Raina Zimmering