Korruption in Zentralamerika

Korruption in Zentralamerika Corrupción en Centroamérica Am 3.11.2022 organisierte das LAF in Kooperation mit der GIZ und Transparency International Deutschland eine virtuelle Podiumsdebatte zu diesem Thema, die moderiert wurde von Katharina Hübner-Schmid (LAF Berlin, Transparency International Deutschland). Die Einführung in das und die Verortung des Themas übernahm Daniel Kempken, Jurist, Berater für Rechtsstaatsförderung, Justizsysteme und […]

Korruption in Zentralamerika

Corrupción en Centroamérica

Am 3.11.2022 organisierte das LAF in Kooperation mit der GIZ und Transparency International Deutschland eine virtuelle Podiumsdebatte zu diesem Thema, die moderiert wurde von Katharina Hübner-Schmid (LAF Berlin, Transparency International Deutschland).

Die Einführung in das und die Verortung des Themas übernahm Daniel Kempken, Jurist, Berater für Rechtsstaatsförderung, Justizsysteme und Antikorruption. Er war u.a. langjähriger Mitarbeiter in der Entwicklungszusammenarbeit u.a. in Ecuador, Chile und Honduras und ist Präsidiumsmitglied des LAF Berlin. Er unterstrich die Bedeutung der Korruption nicht nur als zentrales Entwicklungshemmnis, denn: Korruption verletzt Menschenrechte. Gewalt und Organisierte Kriminalität können dort am besten gedeihen, wo es leicht ist, Politiker:innen, Richter:innen und die Polizei zu bestechen. Drogenkartelle, Waffenhändler:innen, Steuerbetrüger:innen, aber auch so manche nationale oder internationale Unternehmen – das riesige Feld illegaler Praktiken und manipulierter Entscheidungen beeinflussen den Alltag und die Zukunft der Gesellschaften, die nicht die Kraft und die Möglichkeiten haben, Korruption entscheidend zu bekämpfen. Und dabei zeigt sich das dramatische Resultat: Korruption untergräbt das Vertrauen der Bürger:innen in die staatlichen Institutionen, in den Rechtsstaat, die Demokratie, in die Parlamente und in die Justiz. Dies wiederum fördert endemisch korruptes Verhalten auf allen Ebenen und die soziale Akzeptanz von Korruption. Die Menschen, die am meisten darunter leiden, sind meist diejenigen, die sich Schmiergeldzahlungen nicht leisten können.  Bei der Prävention und Verfolgung von Korruption sind die Justiz und zivilgesellschaftliche Kräfte und Organisationen besonders wichtige Akteure.

Die wurde deutlich und konkret illustriert durch Claudia Escobar. Die ehemalige Richterin aus Guatemala, inzwischen als Wissenschaftlerin an US-amerikanischen Universitäten tätig, war als Mitglied des nationalen Berufungsgerichts wegen ihrer klaren Rechtspraxis abgelöst worden und musste  2015 aus Guatemala wegen Bedrohungen für Leib und Leben flüchten. Sie schilderte ihre persönlichen Erfahrungen und die strukturellen Missstände  im politischen und juristischen Umfeld, die tödlichen  Gefahren für sie und ihre Familie und für viele, die gegen Korruption vorzugehen versuchen sowie die mehr als skandalösen Tricks und Praktiken, mit denen auch Personen des Justizapparates, Richter:innen und Anwält:innen durch Aktenfälschungen, Verzögerungen, Drohungen und Manipulationen  agieren oder wie Politiker:innen den Justizapparat für ihre Interessen brutal instrumentalisieren.

Dringend notwendig sind, so Escobar, zur Korruptionsbekämpfung oder zumindest – Eindämmung u.a. Sicherheitsmaßnahmen für unabhängige Richter:innen und ihre Familien, Reformen des Justizsystems z.B. durch eine an Rechtsstaatsprinzipien orientierte Ausbildung  sowie ein Leitbild der Justiz, in dem statt Angst die Würde des Rechts und seiner  Anwendung im Zentrum stehen.

Das wurde unterstrichen durch die Analyse und die Erfahrungen  von Carlos Hernández, einer der Gründer der Assoziation für eine gerechtere Gesellschaft (ASJ), nationales Kapitel von Transparency International und eine der wichtigsten zivilgesellschaftlichen Organisationen in Honduras. Er hat maßgeblich an einer Vielzahl von Initiativen und Projekten zur Bekämpfung der Korruption und der Entwicklung von Antikorruptionspolitiken mitgewirkt, und arbeitet für internationale Organisationen (z.B. OEA) im Bereich der Korruptionsbekämpfung

Eine von ihm wesentlich mitbestimmte Anti-Korruptionskommission  begriff, dass der Kampf gegen Korruption oben beginnen muss  (entsprechend, wie man in Schwaben sagen würde, dass die Treppen von oben nach unten gekehrt werden) und so z.B. von den neun führenden Köpfen des Polizeiapparates als erstes sechs wegen ihrer Verbindung zum Drogenhandel und der organisierten Kriminalität abgesetzt  (und in die USA ausgeliefert) wurden. Im weiteren Verlauf wurden mehrere 1000 Polizist:innen entlassen, um so neuen Kräften und einer Strukturreform des Polizeiwesens eine Chance zu geben, das inzwischen mit einem neuen Polizeigesetz  erste Verbesserungen zeigt. Dass Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Gewalt ein gemeinsames Problemfeld sind, belegten zudem die Mordzahlen, die Honduras zu einem der brutalsten Länder des Kontinents gemacht hatten  und die inzwischen (erheblich) zurückgegangen sind.

Wie Escobar unterstrich auch Hernández mit Beispielen die strukturellen Bedingen, die Korruption begünstigen, durch einen schwachen Staat, geringe Transparenz, geringe Professionalisierung in Justiz und Polizei, aber auch autoritäre Tendenzen, die die eminent wichtige Kontrollfunktion der Zivilgesellschaft  zu begrenzen versuchen. „La verdad tiene poder“(„die Wahrheit hat Macht“) sei ihr hoffnungsvolles Motto.

Die von Hernández erwähnte wichtige internationale Kooperation bei der Korruptionsbekämpfung (u.a. USA, EU, Kanada, Schweiz, Deutschland) wurde  auch von Viola Bölscher aufgegriffen.  Sie ist Leiterin des Sektorvorhabens Antikorruption und Integrität der GIZ, zuvor Co-Leiterin des Sektorvorhabens Menschenrechte und war u.a. zehn Jahre lang Consultant zu Governance, Gender, Menschenrechte und Friedensbildung (transitional justice) in zahlreichen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Zentralasiens. Bölscher arbeitete den wichtigen Zusammenhang von Korruption und politischer, ökonomischer und sozialer Macht heraus und hob die Bedeutung von Transparenz für die erfolgreiche Korruptionsbekämpfung hervor sowie die vielfältigen gesellschaftlichen  Bereiche und Gruppen, die unter Korruption zu leiden haben. Ihre umfassende internationale praktische Erfahrung erlaubten ihr, darauf zu verweisen, dass bei allen spezifischen  nationalen Unterschieden in den verschiedenen Ländern das Phänomen der Korruption international strukturelle Gemeinsamkeiten aufweist und auch die Opfer von Korruption weltweit vor allem die ohnehin Benachteiligten sind.

Das Podium plädierte für mehr internationale Zusammenarbeit mit der Justiz und mit der Zivilgesellschaft. Bei Verhandlungen über Finanzierungen z.B.  von Weltbank, Internationalem Währungsfonds oder Entwicklungsbanken müssen Korruptionsrisiken stärker berücksichtigt werden, dies auch mit Blick auf die Gefahr, dass Teile des nationalen Budgets durch korrupte Praktiken abgezweigt und sodann durch Gebermittel ersetzt werden.

 

🎬Aufzeichnung Korruption in Zentralamerika