Deutsch-Brasilianische Beziehungen im Überblick (2024/25)

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Brasilien haben sich über Jahrzehnte zu einer vielseitigen Partnerschaft entwickelt. Im Jahr 2024/25 rücken sie durch globale Umbrüche und neue politische Konstellationen erneut in den Fokus.

Einleitung

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Brasilien haben sich über Jahrzehnte zu einer vielseitigen Partnerschaft entwickelt. Im Jahr 2024/25 rücken sie durch globale Umbrüche und neue politische Konstellationen erneut in den Fokus. Deutschland – als führende Nation in Europa und Mitglied in der Ländergruppe der G 7 – und Brasilien – als größter Staat Lateinamerikas mit dem Vorsitz der G 20 2024 und der BRICS-Staaten 2025 – arbeiten in geopolitischen Fragen, wirtschaftlicher Kooperation und strategischen Initiativen eng zusammen. Dieser Bericht bietet eine politisch-analytische Betrachtung der deutsch-brasilianischen Beziehungen mit aktuellem Schwerpunkt und historischem Kontext. Dabei werden geopolitische Entwicklungen (etwa das Spannungsfeld zwischen China und den USA), die Wirtschaftsbeziehungen, gemeinsame strategische Projekte (Klima, Energie, Entwicklung) sowie die historische Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg beleuchtet. Relevante Quellen und Daten untermauern die Analyse.

Historische Entwicklung der bilateralen Beziehungen

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nahmen Brasilien und die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1951 offiziell diplomatische Beziehungen auf. In den folgenden Jahrzehnten entwickelten sich die Kontakte kontinuierlich, wobei auch die Teilung Deutschlands berücksichtigt werden musste: So etablierte Brasilien 1973 auch formelle Beziehungen zur DDR im Zuge der Ostpolitik. Während der brasilianischen Militärdiktatur (1964–1985) blieben die Beziehungen zur Bundesrepublik pragmatisch – ein Höhepunkt (und zugleich umstrittenes Kapitel) war das 1975 geschlossene deutsch-brasilianische Nuklearabkommen. Dieses sah vor, Brasilien beim Bau mehrerer Kernkraftwerke und beim Aufbau nuklearer Infrastruktur zu unterstützen, und wurde seinerzeit unter Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem brasilianischen Militärregime vereinbart 

Mit der Rückkehr Brasiliens zur Demokratie Ende der 1980er Jahren intensivierten sich die Beziehungen auf einer breiteren Grundlage. Spätestens seit den 1990er Jahren betrachten beide Länder einander als wichtige Partner in ihren jeweiligen Regionen. Im Jahr 2008 wurde offiziell eine Strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und Brasilien begründet Darauf aufbauend fanden 2015 erstmals deutsch-brasilianische Regierungskonsultationen auf höchster Ebene in Brasília statt: Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste mit mehreren Ministern nach Brasilien, um Abkommen in Bereichen wie Klimaschutz, Energie, Wirtschaft und Zusammenarbeit in internationalen Gremien zu schließen. Damit zählte Brasilien fortan zum exklusiven Kreis von Ländern außerhalb Europas, mit denen Deutschland regelmäßige Regierungsberatungen abhält. 

Die 2010er Jahre brachten sowohl Annäherungen als auch Herausforderungen. Unter Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro (2019–2022) – oft als „Tropen-Trump“ bezeichnet – kühlten die Beziehungen zu Deutschland spürbar ab, vor allem wegen Differenzen in Umwelt- und Klimafragen. 2019 fror Deutschland seine Zahlungen an den Amazonasfonds (für Wald- und Klimaschutz) in Höhe von 35 Millionen Euro ein, da die Entwaldung im Amazonasgebiet unter Bolsonaro stark zunahm. Bolsonaro reagierte damals scharf und wies Kritik aus Europa zurück. Erst mit dem Machtwechsel in Brasília kehrte wieder Entspannung ein: Anfang 2023 trat Luiz Inácio Lula da Silva sein Amt als brasilianischer Präsident in seibnem dritten Mandat an und versprach einen Politikwechsel insbesondere im Klimaschutz. Deutschland nutzte diese „zweite Chance“ sofort – die zuvor eingefrorenen 35 Millionen Euro für den Amazonasfonds wurden umgehend freigegeben, um den Neustart der Kooperation beim Regenwaldschutz einzuläuten. Im Dezember 2023 fanden in Berlin die jüngsten deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen statt, bei denen Bundeskanzler Olaf Scholz und Präsident Lula eine Partnerschaft für eine sozial gerechte und ökologische Transformation vereinbarten. 

Zeitleiste: Wichtige Meilensteine der deutsch-brasilianischen Beziehungen seit 1945

  • 1951: Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland (BRD).
  • 1973: Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Brasilien und der DDR.
  • 1975: Unterzeichnung des deutsch-brasilianischen Atomabkommens (Kernenergie-Kooperation).
  • 2008: Etablierung einer Strategischen Partnerschaft zwischen Deutschland und Brasilien 
  • 2015: Erste deutsch-brasilianische Regierungskonsultationen in Brasília; Abschluss zahlreicher Abkommen (u. a. zu Klima, Energie, Wirtschaft) unter Kanzlerin Merkel und Präsidentin Rousseff. 
  • 2019: Belastung der Beziehungen unter Präsident Bolsonaro – Anstieg der Regenwaldzerstörung, Aussetzen deutscher Klimahilfen (Amazonasfonds).
  • 2023: Amtsantritt von Präsident Lula da Silva; Neustart der Kooperation (Freigabe der deutschen Amazonasfonds-Mittel); deutsch-brasilianische Regierungskonsultationen in Berlin, Vereinbarung einer Transformationspartnerschaft.
  • 2024: Brasilien übernimmt die G20-Präsidentschaft; Abschluss der Verhandlungen zum EU-Mercosur-Abkommen; Ausblick auf die UN-Klimakonferenz COP30 in Belém, Brasilien.
  • 2025: Brasilien übernimmt die Präsidentschaft der Gruppe der BRICS-Länder.

Geopolitische Beziehungen im globalen Kontext

Multipolare Welt und globale Machtverschiebungen: In den letzten Jahren haben sich die internationalen Rahmenbedingungen deutlich gewandelt. Sowohl Deutschland als auch Brasilien sehen sich einer multipolaren Welt gegenüber, in der neue Machtzentren an Einfluss gewinnen – insbesondere China – und traditionelle Akteure wie die USA andere Schwerpunkte setzen. Brasilien engagiert sich schon länger in alternativen Machtforen wie den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und strebt wie Deutschland eine Reform des UN-Sicherheitsrats an. Tatsächlich arbeiten Brasília und Berlin seit Jahren in vielen Fragen der globalen Agenda zusammen – von UN-Initiativen im Menschenrechtsschutz bis zur gemeinsamen Forderung nach einer Erweiterung des UN-Sicherheitsrates. Beide Länder eint das Interesse an einer stärkeren Stimme für Schwellenländer und an der Stärkung des Multilateralismus.

Einfluss von USA und China auf die Beziehungen: Im Spannungsfeld zwischen den USA und China agieren Deutschland und Brasilien bedacht, aber mit unterschiedlichen Perspektiven. China ist für Brasilien inzwischen zum mit Abstand wichtigsten Handelspartner avanciert – seit 2009 steht China an erster Stelle im brasilianischen Außenhandel. Im Jahr 2023 erreichte das Handelsvolumen zwischen China und Brasilien rund 157,5 Mrd. USD, wobei Brasilien allein Waren im Wert von etwa 105 Mrd. USD nach China exportierte (vor allem Agrarrohstoffe und Erz). Zum Vergleich: Die Vereinigten Staaten rangieren als Brasiliens zweitwichtigster Einzelpartner deutlich dahinter. Diese starke Ausrichtung Brasiliens Richtung China stellt Deutschland und die EU vor die Aufgabe, die eigenen Beziehungen zu Brasilien strategisch auszubauen, um im globalen Wettbewerb nicht an Einfluss zu verlieren. Deutschlands Bundesregierung wirbt daher – analog zur EU – verstärkt um Partnerschaften in Lateinamerika, um Lieferketten breiter aufzustellen und Abhängigkeiten von China zu reduzieren Brasilien mit seinen reichen Ressourcen und Wachstumspotenzialen nimmt in diesem Kontext eine Schlüsselrolle ein.

Die Vereinigten Staaten bleiben zugleich ein wichtiger Bezugspunkt. Während der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump (2017–2021) kam es allerdings zu Verschiebungen: Trump wandte sich von manchen multilateralen Verpflichtungen (z. B. Klimaschutz) ab, was Deutschland in eine ungewohnte Position als Bewahrer der liberalen Weltordnung drängte. Brasilien unter Bolsonaro schlug in jener Zeit einen Kurs ein, der sich eng an Trump anlehnte. Beobachter sprachen damals von einer Trump-Bolsonaro-Achse, da Bolsonaro Trump in vielerlei Hinsicht „Schritt für Schritt folgte“ – selbst dann, wenn es Brasiliens Interessen schadete. Diese Nähe zu Trump brachte Brasilien jedoch ein diplomatisches Isolat gegenüber anderen wichtigen Akteuren ein. So konstatierte der frühere brasilianische Botschafter in Washington, Rubens Ricúpero, Ende 2020, dass Bolsonaro „ein schlechtes Verhältnis zur Europäischen Union, zu Frankreich, zu Deutschland und zu China“ habe. Tatsächlich waren die Beziehungen Brasiliens zu Berlin in jener Phase belastet: Deutschlands Regierung kritisierte Bolsonaros Umgang mit dem Amazonas-Regenwald scharf, während Bolsonaro europäische Sorgen als Einmischung abtat (er polemisierte etwa, Deutschland solle sein Geld lieber zum „Aufforsten“ eigener Wälder verwenden). Auch beim Umgang mit der COVID-19-Pandemie und anderen globalen Herausforderungen lagen Berlin und Brasília über Kreuz.

Mit dem Wechsel in Washington zu Präsident Joe Biden 2021 und insbesondere dem Regierungswechsel in Brasília 2023 hat sich das geopolitische Klima zwischen Deutschland und Brasilien wieder verbessert. Präsident Lula da Silva sucht eine ausgewogenere Außenpolitik: Brasilien will weder im Lager der USA noch Chinas vollkommen aufgehen, sondern als eigenständiger Akteur des Globalen Südens auftreten. Lula betont die Bedeutung eines multipolaren Gleichgewichts und versucht, gute Beziehungen in alle Richtungen zu unterhalten – so besuchte er 2023 sowohl Washington als auch Beijing. Zugleich kehrte Brasilien unter Lula in Fragen des Klimaschutzes und der Menschenrechte zu einer konstruktiven Zusammenarbeit mit westlichen Partnern zurück, was Deutschland ausdrücklich begrüßt. Dieser Ansatz wird zur Zeitdurch die imperiale und willkürliche Politi Donald Trumps wieder in Frage gestellt.

Zusammenarbeit und Differenzen auf der Weltbühne: Trotz insgesamt partnerschaftlicher Ausrichtung gibt es auch unter Lula Themen, bei denen die Positionen Deutschlands und Brasiliens auseinandergehen. Ein prominentes Beispiel ist der Umgang mit dem Ukraine-Krieg (russische Invasion 2022): Deutschland unterstützte die Ukraine früh mit Sanktionen und Waffenlieferungen, während Brasilien sich um Neutralität bemühte. Lula verurteilte zwar den russischen Bruch des Völkerrechts in Worten, weigert sich aber, Waffen oder Munition beizusteuern. Bei einem Besuch von Bundeskanzler Scholz in Brasília im Januar 2023 machte Lula deutlich, dass Brasilien keine Munition für den von Deutschland gelieferten Gepard-Flugabwehrpanzer bereitstellen werde. Brasilien setzt stattdessen auf Vermittlung und ruft beide Konfliktparteien zu Verhandlungen auf. Diese Differenz spiegelt die Perspektive vieler Schwellenländer wider, die eine Einbindung Russlands in diplomatische Lösungen befürworten und westliche Sanktionspolitik skeptisch sehen. Deutschland respektiert Brasiliens Haltung, auch wenn man sich mehr Unterstützung gewünscht hätte. Beide Länder einigten sich immerhin auf gemeinsame Erklärungen, in denen die Verletzung der ukrainischen Souveränität „nachdrücklich bedauert“ wird, und halten den diplomatischen Dialog über den Krieg offen.

Auf zahlreichen anderen Feldern ziehen Berlin und Brasília jedoch an einem Strang. Brasilien übernimmt 2024 die Präsidentschaft der G20, und Deutschland sicherte Lula volle Unterstützung bei dessen Agenda zu. Themen wie Armutsbekämpfung, globale Gesundheit und Klimapolitik sollen dabei oben stehen – alles Bereiche, in denen beide Länder ähnliche Werte vertreten. Ebenso koordinieren sich Deutschland und Brasilien regelmäßig in den Vereinten Nationen, etwa im Menschenrechtsrat in Genf. Nicht zuletzt streben beide Nationen langfristig ständige Sitze im UN-Sicherheitsrat an und unterstützen sich gegenseitig in diesem Bemühen. In der geopolitischen Gesamtschau gilt: Deutschland sieht in Brasilien einen unverzichtbaren Partner in Lateinamerika, während Brasilien Deutschland (und die EU) als wichtigen Gegenpol zu den Großmächten USA und China nutzt, um seine strategische Autonomie zu wahren.

Wirtschaftliche Beziehungen: Handel, Investitionen und Industriekooperation

Die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Deutschland und Brasilien sind intensiv und für beide Seiten bedeutsam. Brasilien ist Deutschlands wichtigster Handelspartner in Südamerika. Das bilaterale Handelsvolumen wuchs in den letzten zwei Jahrzehnten stetig – mit einem kurzen Einbruch während der COVID-19-Pandemie, von dem man sich rasch erholte. Im Jahr 2023 erreichte der Warenaustausch wieder über 21 Milliarden Euro. Konkret exportierte Deutschland 2023 Güter im Wert von 12,8 Mrd. € nach Brasilien, während brasilianische Importe nach Deutschland 8,2 Mrd. € betrugen. Deutschland liefert vor allem Maschinen, Fahrzeuge, Chemie- und Elektrotechnik nach Brasilien, während umgekehrt Brasilien vor allem landwirtschaftliche Erzeugnisse, Nahrungsmittel, Rohstoffe (z. B. Eisenerz) und Öl nach Deutschland exportiert. Brasilien rangierte 2023 auf Platz 23 der wichtigsten Exportmärkte Deutschlands und auf Platz 31 der Importquellen. Diese Zahlen unterstreichen zwar die Asymmetrie zugunsten Deutschlands, doch Brasilien hat für die deutsche Industrie einen höheren Stellenwert, als die Rangliste andeutet: Durch seine Größe und Ressourcen ist es ein strategischer Absatzmarkt und Beschaffungsort zugleich.

Auch bei Investitionen sind die Beziehungen eng. Deutsche Unternehmen sind seit über einem Jahrhundert in Brasilien aktiv; viele haben während der Industrialisierungsphasen Brasiliens wichtige Rollen gespielt. Heutzutage sind rund 1.400 deutsche Unternehmen in Brasilien präsent, davon allein über 900 in São Paulo – was diese Metropole zum größten deutschen Industriestandort außerhalb Deutschlands macht. Deutsche Firmen wie Volkswagen, BASF, Siemens, Mercedes-Benz, Bayer und Allianz sind in Brasilien heimische Namen. Ihr wirtschaftlicher Fußabdruck ist beachtlich: Schätzungen zufolge erwirtschaften deutsche Unternehmen etwa 10 % des industriellen BIP Brasiliens. Das kumulierte Volumen deutscher Direktinvestitionen in Brasilien lag 2022 bei 22,45 Mrd. €– Tendenz steigend. Allein 2023 kamen über 1,6 Mrd. € an neuen Investitionen hinzu. Umgekehrt sind brasilianische Direktinvestitionen in Deutschland relativ gering (Bestand 2022: ~115 Mio. €). Dies unterstreicht, dass die Wirtschaftspartnerschaft in erster Linie vom Engagement deutscher Firmen in Brasilien getragen wird.

Branchenschwerpunkte und Projekte: Die deutsch-brasilianische Wirtschaftskooperation deckt ein breites Spektrum ab. Traditionell stark ist der Industriesektor: Autos „Made in Brazil“ von VW oder Mercedes etwa bedienen nicht nur den lokalen Markt, sondern werden in ganz Lateinamerika verkauft. Maschinenbau und Chemie sind weitere Säulen – deutsche Anlagen und chemische Vorprodukte unterstützen Brasiliens Agrar- und Bergbauindustrie. Brasilien liefert Deutschland im Gegenzug wichtige Rohstoffe (Eisenerz, Zellstoff, Kaffee, Soja für die Tierfütterung, u.a.) und zunehmend auch industrielle Vorprodukte.

Infrastrukturprojekte spielen ebenfalls eine Rolle. Deutsche Unternehmen haben in Brasiliens Infrastruktur investiert: So betreibt die deutsche Fraport zwei große Flughäfen (Fortaleza und Porto Alegre) seit 2018, und Siemens ist am Ausbau von Energie- und Bahninfrastruktur beteiligt. Die digitale Wirtschaft und Industrie 4.0 sind weitere Felder der Zusammenarbeit – es gibt deutsch-brasilianische Initiativen zu Smart Cities und industrieller Innovation.

Aktuelle Entwicklungen: Trotz wirtschaftlicher Herausforderungen in Brasilien (Wechselkurs, Bürokratie, zuletzt Pandemie) bleibt die Stimmung bei deutschen Unternehmen vor Ort positiv. Laut einer Umfrage der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer Ende 2023 bewerteten 59 % der deutschen Firmen ihre Geschäftslage in Brasilien als gut, nur 12 % als schlecht. Die Aussichten werden ebenfalls optimistisch eingeschätzt, was auch mit neuen Impulsen der brasilianischen Regierung zusammenhängt. Präsident Lula hat ein Wachstumsprogramm (PAC 3) aufgelegt, das rund 65 Mrd. R$ (ca. 12 Mrd. €) in Verkehrswege, Wohnungsbau, nachhaltige Städte und Wasserinfrastruktur investieren will. Solche Vorhaben eröffnen Chancen für deutsche Unternehmen – insbesondere im Maschinen- und Anlagenbau, in der Umwelttechnik und im Energiesektor.

Nicht zuletzt wirkt das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur als möglicher Wachstumstreiber (siehe unten). Beide Seiten versprechen sich davon einen erleichterten Marktzugang, Zollsenkungen und Investitionsschutz, was gerade für deutsche Mittelständler in Brasilien neue Möglichkeiten eröffnen könnte. Vor diesem Hintergrund setzen Deutschland und Brasilien ihren wirtschaftlichen Dialog auf hoher Ebene fort – etwa beim jährlichen Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftsforum – um Handelshürden abzubauen und Kooperationen in Zukunftsbranchen (Digitalisierung, grüne Technologien) voranzubringen. Trotz globaler Konkurrenz (China drängt auch ökonomisch in Brasiliens Markt) bleibt Deutschland ein wichtiger Wirtschaftspartner für Brasilien und umgekehrt.

Tabelle: Deutsch-Brasilianischer Warenhandel 2021–2023

Jahr Deutsche Exporte nach Brasilien Deutsche Importe aus Brasilien Handelssaldo (D)
2021 10,5 Mrd. € (+24 % ggü. Vj.)  7,5 Mrd. € (+23 %)  +2,9 Mrd. €
2022 12,9 Mrd. € (+23 %)  9,5 Mrd. € (+26 %)  +3,4 Mrd. €
2023 12,8 Mrd. € (−0,8 %)  8,2 Mrd. € (−13 %)  +4,6 Mrd. €

Quelle: Germany Trade & Invest, Außenhandel mit Brasilien (gerundete Werte; Veränderung gegenüber Vorjahr in Klammern). Deutlich wird, dass Deutschland durchgehend einen Exportüberschuss aufweist, der sich 2023 auf 4,6 Mrd. € vergrößerte.

Strategische Partnerschaften: Klima, Umwelt, Energie und multilaterale Kooperation

Über die klassischen Diplomatie- und Handelsbeziehungen hinaus verbindet Deutschland und Brasilien eine Reihe strategischer Partnerschaften in Themenbereichen, die für beide Länder Priorität haben. Im Zentrum stehen der Klimaschutz und die nachhaltige Entwicklung, die Energie- und Rohstoffkooperation sowie die Zusammenarbeit in multilateralen Foren und der Entwicklungspolitik.

Zusammenarbeit in Klima- und Umweltpolitik

Brasiliens enorme ökologische Bedeutung – vom Amazonas-Regenwald bis zur Biodiversität – macht das Land zu einem unverzichtbaren Partner in globalen Umweltfragen. Deutschland wiederum hat sich als Vorreiter in Klimapolitik positioniert. Beide Länder haben daher ein gemeinsames Interesse, bei Klima- und Naturschutz zusammenzuarbeiten. Diese Kooperation war allerdings in den letzten Jahren stark abhängig von der brasilianischen Regierung: Unter Präsident Bolsonaro stagnierte sie (wie oben erwähnt) oder war konfliktbeladen. Mit Präsident Lula erfuhr sie einen Neustart. Bereits zu Lulas Amtsantritt 2023 begrüßte Berlin dessen Ankündigung, den Regenwaldschutz zur Chefsache zu machen. Die Freigabe der deutschen Beiträge zum Amazonienfonds gleich in den ersten Tagen nach Lulas Amtseinführung war ein starkes Signal. Niels Annen, Staatssekretär im BMZ, sprach von einem „kraftvollen Neustart für unsere gemeinsame Arbeit beim Schutz von Klima und Natur“ Brasilien setzte umgehend die Kontrollgremien des Fonds wieder ein und verstärkte die Überwachung der Entwaldung.

Seither engagieren sich Deutschland und Brasilien wieder Seite an Seite im Wald- und Klimaschutz. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze besuchte im Juli 2024 zusammen mit Brasiliens Umweltministerin Marina Silva das Amazonasgebiet, um Projekte der Aufforstung und Überwachung voranzutreiben. Deutschland und Norwegen – die Hauptgeldgeber des Fundo Amazonas (Amazonienfond) – unterstützen so Lulas ambitioniertes Ziel, die illegale Abholzung bis 2030 zu beenden. In einer gemeinsamen Erklärung betonten Schulze und Silva, dass Waldschutz im Amazonas ein Dienst an der Weltgemeinschaft sei. Zugleich fließen deutsche Mittel verstärkt in Programme für nachhaltige Landwirtschaft, Schutzgebiete und Stärkung indigener Gemeinschaften in Amazonien. Dieser Schulterschluss zeigt bereits Wirkung: Die Entwaldungsrate im brasilianischen Amazonasgebiet ist in Lulas erstem Amtsjahr deutlich zurückgegangen (laut offiziellen Zahlen um über 30 %).

Darüber hinaus haben Deutschland und Brasilien ihre Kooperation in internationalen Klimaformaten intensiviert. 2025 wird Brasilien Gastgeber der UN-Klimakonferenz COP30 in Belém (im Amazonas-Gebiet) sein – ein symbolträchtiger Ort. Deutschland hat volle Unterstützung zugesagt, damit die COP30 ein Erfolg wird. Beide Länder eint das Eintreten für das Pariser Abkommen und die 1,5-Grad-Grenze. Brasilien hat als erstes G20-Schwellenland ein Netto-Null-Ziel (Klimaneutralität bis 2050) angekündigt, was Deutschland ausdrücklich lobt. In der High Ambition Coalition oder beim Schutz der Biodiversität (Post-2020 Global Biodiversity Framework) arbeiten deutsche und brasilianische Diplomaten eng zusammen.

Auch in der Umwelttechnologie gibt es Partnerschaften: Von erneuerbaren Energien (Wind- und Solarparks in Brasilien mit deutscher Technologie) bis zu nachhaltiger Stadtentwicklung (etwa ÖPNV-Projekte in Megastädten wie São Paulo mit deutscher Beratung) werden gemeinsame Projekte umgesetzt. Die neue Transformationspartnerschaft, die Lula und Scholz 2023 vereinbart haben, stellt Klima- und Umweltschutz ins Zentrum. Sie umfasst Programme für Waldschutz, Biodiversität, erneuerbare Energien, Energieeffizienz und nachhaltige Städte. Finanziell wurde hierfür im November 2023 ein Paket von bis zu 561 Mio. € zugesagt – teils als Zuschüsse, teils als zinsgünstige Darlehen für grüne Investitionen. Brasilien, obwohl selbst ein Schwellenland, wird damit zu einem globalen Partner der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, der bei der Erreichung internationaler Umweltziele eine Schlüsselrolle spielt.

Kooperation in Energie und Rohstoffsicherheit

Ein weiterer strategischer Schwerpunkt ist die Zusammenarbeit im Energiesektor und bei kritischen Rohstoffen. Brasilien verfügt über riesige Potenziale sowohl fossiler Energie (Öl, Gas) als auch vor allem erneuerbarer Energien (Wasserkraft, Biomasse, Sonne und Wind). Bereits heute erzeugt Brasilien rund 85 % seines Stroms aus erneuerbaren Quellen – damit ist das Land ein idealer Partner für die globale Energiewende. Deutschland und Brasilien kooperieren hier in mehrfacher Hinsicht:

  • Grüner Wasserstoff: Brasilien könnte einer der zukünftigen Exporteure von grünem Wasserstoff werden. Durch günstige Bedingungen für Solar- und Windenergie (etwa im Nordosten Brasiliens) lässt sich Wasserstoff klimaneutral produzieren. Beide Länder haben 2023 vereinbart, diese Option gemeinsam voranzutreiben. Deutsche Unternehmen und Forschungsinstitutionen beteiligen sich an Pilotprojekten in Brasilien, um Wasserstoff zu erzeugen, zu speichern und perspektivisch nach Europa zu transportieren. Diese Zusammenarbeit verbindet Klimaschutz mit Industriezielen – Deutschland sucht alternative Energielieferanten, während Brasilien Wertschöpfung aus seinen erneuerbaren Ressourcen anstrebt.
  • Erneuerbare Energien und Stromnetze: Schon heute gibt es deutsch-brasilianische Projekte zur Netzintegration erneuerbarer Energien, zur Modernisierung von Wasserkraftwerken und zur Förderung von Offshore-Windparks. Im Rahmen der Just-Transition-Partnerschaft tauschen Experten beider Länder Technologien und Best Practices aus. Deutschland unterstützt Brasilien zudem bei der Ausbildung von Fachkräften für Solar- und Windtechnik, und es bestehen Investitionen (etwa durch KfW und deutsche Firmen) in saubere Energien vor Ort.
  • Rohstoffpartnerschaft: Brasilien ist reich an mineralischen Rohstoffen, die für High-Tech und die Energiewende unverzichtbar sind. Dazu gehören Eisenerz, Bauxit (Aluminium), Niobium – und in jüngerer Zeit besonders Lithium sowie Seltene Erden. Deutschland hat ein strategisches Interesse, seine Rohstoffversorgung breiter aufzustellen, um weniger von einzelnen Lieferländern (wie China) abhängig zu sein. Im Zuge der Regierungskonsultationen 2023 wurde vereinbart, die lokale Wertschöpfungskette für Rohstoffe in Brasilien zu stärken und zugleich einen bevorzugten Zugang für Deutschland sicherzustellen. Brasilien verfügt z.B. in Minas Gerais über neue Lithium-Vorkommen, die für Batterien benötigt werden. Beide Länder wollen bei der umweltgerechten Gewinnung und Verarbeitung dieses „weißen Goldes“ kooperieren. Auch die Exploration seltener Erden in Brasilien (für Windturbinen, E-Autos) wird gemeinsam untersucht – insbesondere schwere Seltene Erden wie Dysprosium, die aktuell fast nur aus China kommen, könnten künftig teilweise aus Brasilien bezogen werden. Dabei wird Wert auf Nachhaltigkeits- und Sozialstandards gelegt (ESG-Kriterien), sodass Rohstoffabbau nicht auf Kosten von Umwelt und lokalen Gemeinschaften geht.
  • Fossile Energien und Übergang: Brasilien ist gleichzeitig ein Öl- und Gasproduzent (Pre-Sal-Offshore-Felder). Während Deutschland seine direkte Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren will, gibt es Interesse an einer Brückenrolle Brasiliens, etwa durch Lieferungen von Flüssiggas (LNG) als Ersatz für russisches Gas. Allerdings liegt der Schwerpunkt der Energiepartnerschaft eindeutig auf dem Dekarbonisieren. Beide Länder sehen die Zukunft in erneuerbaren Energien – so haben sie in der Partnerschaftsvereinbarung betont, die Dekarbonisierung der Industrie gemeinsam voranzutreiben.

Insgesamt ergänzen sich Deutschland und Brasilien im Energiebereich gut: Technologie und Kapital aus Deutschland treffen auf Ressourcen und Flächen in Brasilien. Die Deutsch-Brasilianische Energiepartnerschaft, die es seit 2017 gibt, wurde daher 2023 erheblich ausgebaut. Für Deutschland bedeutet dies auch, Lateinamerika stärker in die strategische Energiesicherung einzubinden, was geopolitisch von Bedeutung ist (Diversifizierung weg von Russland/China). Für Brasilien eröffnet die Kooperation Zugang zu moderner Technologie und Investitionen, die helfen sollen, die Industrie klimafreundlich zu modernisieren.

Entwicklungszusammenarbeit und multilaterale Foren

Brasilien ist zwar ein Schwellenland mit eigenem Gewicht, aber es kooperiert mit Deutschland auch im Rahmen der Entwicklungspolitik, insbesondere zugunsten ärmerer Länder und Regionen. Brasilien engagiert sich schon länger in Süd-Süd-Kooperation (etwa mit portugiesischsprachigen Ländern Afrikas). Zusammen mit Deutschland werden hier Projekte der Dreiekskooperation durchgeführt – zum Beispiel gemeinsame Berufsbildungsprogramme in Moçambique, bei denen Brasilien und Deutschland ihre Expertise bündeln. Solche Initiativen stärken das partnerschaftliche Profil beider Länder auf der globalen Bühne.

In multilateralen Foren arbeiten Deutschland und Brasilien eng zusammen, um gemeinsame Interessen durchzusetzen:

  • G20 und globale Wirtschaftssteuerung: Brasilien hat 2024 den Vorsitz der G20 übernommen. Dies gibt Lula die Möglichkeit, Themen des Globalen Südens auf die Agenda zu setzen, etwa soziale Ungleichheit, Klimafinanzierung oder Reformen der Weltbank. Deutschland unterstützt diese Schwerpunkte und wird auf dem G20-Gipfel 2024 in Rio de Janeiro entsprechend mitwirken. Schon zuvor stimmten Deutschland und Brasilien ihre Positionen in der Finanz- und Handelspolitik ab, um beispielsweise protektionistischen Tendenzen entgegenzutreten und die WTO zu stärken.
  • Mercosur-EU-Abkommen: Ein zentrales Projekt im multilateralen Kontext ist das geplante Assoziierungs- und Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay). Nach über 20 Jahren Verhandlungsmarathon wurden Ende 2024 die Gespräche erfolgreich abgeschlossen– eine Einigung, die sowohl in Brasília als auch Berlin ausdrücklich begrüßt wurde. Nun steht die Ratifizierung aus, bei der Deutschland eine treibende Kraft in der EU ist. Berlin und Brasília drängen auf ein zügiges Inkrafttreten des Abkommens, da es die weltweit größte Freihandelszone mit über 700 Mio. Menschen schaffen würde. Für Deutschland bedeutet das Abkommen besseren Zugang zu Brasiliens Markt (insbesondere für Industriegüter und Dienstleistungen), während Brasilien von erleichtertem Export von Agrarprodukten und Rohstoffen in die EU profitiert. Allerdings mussten auch Bedenken, etwa bezüglich des Regenwaldschutzes, berücksichtigt werden. Lula zeigte sich offen für zusätzliche Nachhaltigkeitsgarantien, um skeptische EU-Staaten (wie Frankreich oder Österreich) zu überzeugen. Gelingt die Ratifizierung – anvisiert ist spätestens 2025 – wäre dies ein geopolitisches Signal: In Zeiten fragmentierter Weltmärkte setzen EU und Mercosur auf Kooperation und gemeinsame Standards. Deutschland und Brasilien hätten damit einen wichtigen Erfolg ihrer strategischen Diplomatie erzielt.
  • Vereinte Nationen und internationale Sicherheit: Wie erwähnt, streben beide Länder Reformen in den UNO an. In den UN-Missionen haben deutsche und brasilianische Blauhelme in der Vergangenheit Seite an Seite Dienst getan (etwa in Haiti). Brasilien war 2022/23 nichtständiges Mitglied im Sicherheitsrat und stimmte seine Positionen eng mit Deutschland ab, das zu der Zeit zwar nicht im Rat war, aber ähnliche Ansichten vertritt (z.B. in der Verurteilung von Russlands Ukraine-Invasion, wo Brasilien schließlich – trotz seiner vorsichtigen Rhetorik – in der UN-Generalversammlung zu den Verurteilungsmehrheiten beitrug.
  • Menschenrechte und Demokratie: Brasilien und Deutschland pflegen auch einen Menschenrechtsdialog. Unter Bolsonaro gab es hier allerdings Spannungen (Stichwort: Indigenenrechte, freie Zivilgesellschaft). Lula betont nun wieder die Bedeutung der Demokratie und Menschenrechte – was Deutschland erleichtert. Beide Länder unterstützen z.B. die Arbeit des UN-Menschenrechtsrats und initiieren dort Resolutionen (Brasilien und Deutschland brachten gemeinsam eine Resolution zum Recht auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter ein, als Reaktion auf die NSA-Affäre). Auf demokratischer Ebene hat Deutschland die Aufarbeitung der Angriffe auf Brasiliens Kongress (Januar 2023) solidarisch begleitet und bietet Unterstützung bei der Stärkung von Institutionen an.

Zusammengefasst sind die strategischen Partnerschaften vielfältig: Klimapolitik ist ein Kernfeld, in dem Deutschland und Brasilien von Konfrontation (unter Bolsonaro) zurück zu Kooperation gefunden haben, mit konkreten Programmen und finanziellen Zusagen. Im Energiesektor und bei Rohstoffen wird die Zusammenarbeit vertieft, was beiden Seiten in der grünen Transformation Vorteile bringt. Auf der multilateralen Bühne stützen sich Berlin und Brasília gegenseitig, sei es im G20-Rahmen, bei Handelsabkommen oder in der UNO, um gemeinsame Werte – Multilateralismus, nachhaltige Entwicklung, regelbasierter Handel – durchzusetzen.

Fazit und Ausblick

Die deutsch-brasilianischen Beziehungen befinden sich 2025 in einer Phase der konstruktiven Neubelebung, insbesondere nach dem Antritt Donald Trumps in den USA und dessen Geopolitisierung der internationalen Beziehungen. Nach einigen schwierigen Jahren, insbesondere während der überschneidenden Amtszeiten von Trumps ersten Präsidentschaft und Bolsonaro, hat sich mit neuen Führungen die Chance ergeben, an die traditionell guten Verbindungen wieder anzuknüpfen. Historisch betrachtet waren Deutschland und Brasilien trotz aller Unterschiede (Größe, Geografie, politisches System) meist auf freundschaftlichem Kurs – wirtschaftlich eng verflochten, politisch respektvoll und kulturell durch die deutsche Diaspora in Südbrasilien verbunden. Die aktuelle globale Lage – vom Wettbewerb zwischen USA und China bis zur Klimakrise – gibt dieser Partnerschaft nun einen neuen Stellenwert.

Deutschland sieht in Brasilien einen Schlüsselakteur des Globalen Südens, mit dem es gemeinsam globale Probleme angehen kann. Brasilien wiederum nutzt die Beziehung zu Deutschland/EU, um seine Abhängigkeit von den großen Supermächten zu verringern und Investitionen sowie Technologie ins Land zu holen. In geopolitischer Hinsicht dürfte Brasilien unter Lula weiterhin einen ausbalancierten Kurs fahren: gute Beziehungen zu China und den USA, aber eben auch zu Europa. Deutschland kann dabei als Brückenbauer fungieren und Brasiliens Stimme in westlichen Gremien Gehör verschaffen – zum Beispiel indem es Lulas Anliegen (wie sozialen Ausgleich und Respekt für nationale Souveränität) in internationalen Debatten berücksichtigt. Die Herausforderung wird sein, trotz gelegentlicher Meinungsunterschiede (etwa bei Sanktionen gegen Russland oder Handelsstreitigkeiten) den strategischen Gesamtnutzen der Partnerschaft nicht aus den Augen zu verlieren.

Wirtschaftlich verspricht insbesondere das EU-Mercosur-Abkommen einen Schub. Sollte es ratifiziert werden, dürften Handel und Investitionen beidseitig zunehmen. Deutsche Unternehmen stehen bereit, an Brasiliens Modernisierung (Industrie 4.0, Infrastruktur, erneuerbare Energien) mitzuwirken. Umgekehrt hofft Brasilien, durch Marktzugang zur EU den Export zu diversifizieren und nicht mehr zu einseitig von China oder Rohstoffen abzuhängen. Wichtig wird sein, ökologische und soziale Standards einzuhalten, damit die Wirtschaftskooperation nachhaltig bleibt – hier haben die Vereinbarungen zum Amazonasschutz eine Vorbildfunktion.

In den strategischen Partnerschaften könnten die nächsten Jahre entscheidend sein. Die Vorbereitung der COP30 in Belém bietet eine Bühne, auf der Deutschland und Brasilien zusammen Führungsstärke im Klimaschutz demonstrieren können. Gelingt es, ambitionierte Beschlüsse herbeizuführen, würde dies das Bündnis festigen. Auch die Zusammenarbeit bei grünem Wasserstoff und kritischen Rohstoffen wird praktisch getestet werden – etwa ob Pilotprojekte tatsächlich in kommerziellen Export von grünem H2 oder Lithium münden. Die politischen Absprachen sind getroffen; nun kommt es auf die Umsetzung an.

Schließlich werden die innenpolitischen Entwicklungen beider Länder eine Rolle spielen. Deutschland geht 2025 in eine Bundestagswahl – egal welche Regierung folgt, die grundlegende Ausrichtung gegenüber Brasilien dürfte positiv bleiben, da ein breiter Konsens über die Bedeutung der Partnerschaft besteht. In Brasilien steht zwar erst 2026 wieder eine Präsidentenwahl an, doch Lula wird bis dahin versuchen, Stabilität und Wachstum zurückzubringen. Sollte ihm das gelingen, wird dies auch die Attraktivität Brasiliens für deutsche Partner weiter erhöhen.

Unterm Strich sind die Aussichten für die deutsch-brasilianischen Beziehungen so gut wie lange nicht. Die aktuellen Regierungen teilen das Bekenntnis zu multilateraler Kooperation, nachhaltiger Entwicklung und friedlicher Konfliktlösung. Auf dieser Grundlage können Deutschland und Brasilien ihre Beziehung weiter vertiefen. Angesichts globaler Herausforderungen vom Klima über Pandemien bis zu neuen Machtkonflikten durch die Trump-Administration ist diese Partnerschaft wichtiger denn je – für beide Länder selbst und für die internationale Gemeinschaft.

Analyse und historische Einordnung von Luiz Ramalho, Vorsitzender des LAF, Juni .2025

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