Sechs Fragen an Madalena-Berlin, eine Gruppe des Theaters der Unterdrückten

Madalena-Berlin ist ein Frauenkollektiv von Aktivistinnen und seit 2011 eine Gruppe des Theaters der Unterdrückten von KURINGA. Am 6. Oktober 2016 fand im LAF eine Aufführung ihres Theaterstücks “Nein heißt Nein” statt, das die soziale Konstruktion einer Geschlechteridee und ihre greifbaren Konsequenzen kritisch beleuchtet. Im Laufe des Abends entwickelte sich unter den Zuschauern eine angeregte […]

Madalena-Berlin ist ein Frauenkollektiv von Aktivistinnen und seit 2011 eine Gruppe des Theaters der Unterdrückten von KURINGA. Am 6. Oktober 2016 fand im LAF eine Aufführung ihres Theaterstücks “Nein heißt Nein” statt, das die soziale Konstruktion einer Geschlechteridee und ihre greifbaren Konsequenzen kritisch beleuchtet. Im Laufe des Abends entwickelte sich unter den Zuschauern eine angeregte Diskussion zum Thema “Frauen sagen NEIN”. Im folgenden Interview erfahren Sie, welches Ziel die Madalenas mit ihrer Arbeit verfolgen, welche theatralen Mittel dabei zum Einsatz kommen und was sich hinter dem Begriff „Theater der Unterdrückten“ verbirgt.

Wer sind die Madalenas, wer macht bei euch mit? Was muss Mensch machen, um bei euch mitzumachen?

Die Madalenas sind ein internationales Netzwerk von Frauen, die Theater der Unterdrückten praktizieren. Die Madalenas gibt es in Lateinamerika, Afrika, Europa und Asien. Madalenas- Berlin ist eine von mehreren Gruppen weltweit. Die Madalenas schaffen einen Raum, in dem Frauen ihre Meinungen und Erlebnisse über Unterdrückung hinterfragen können, mit dem Ziel, sie zu überwinden und die Gesellschaft lebenswerter zu machen.

 Welchen Anlass gab es für die Erarbeitung des Stückes “Nein heißt Nein”?

 Im Mai 2011 trafen sich verbündete Abordnungen [fusion_builder_container hundred_percent=“yes“ overflow=“visible“] in Istanbul, um internationale Vereinbarungen über das Sexualstrafrecht zu bewirken. Seit 2016 haben 43 Länder das Übereinkommen unterschrieben. Im Zuge dessen wurde das Sexualstrafrecht in Deutschland verschärft: Ein Nein der Frau reicht jetzt aus, um eine Vergewaltigung zu bestrafen. Aber wir sind immer noch weit davon entfernt, dass nur ein „Ja“ als „ja“ gilt.

Im Forum-Theater stellen wir immer eine Frage an unser Publikum. Da sexuelle Gewalt leider ein aktuelles und ausgeprägtes Thema ist, wollen wir diese Problematik direkt angehen. Warum wird das “Nein” von einer Frau anders wahrgenommen als das von einem Mann? Warum denken einige Männer, dass sie das Recht haben, Frauen zu behelligen, zu nötigen, anzumachen, anzufassen, oder sogar zu vergewaltigen? Wie können wir es erreichen, dass die konkrete Einwilligung vor dem Sex ein absolutes MUSS ist? Das sind einige von unseren Fragen, die beim „Nein heißt Nein“ zu berücksichtigen sind.

Welches konkrete Problem wurde von Euch in “Nein heißt Nein” zur Sprache gebracht? Welche Lösungen erhofft ihr euch vom Publikum?

Wir erarbeiten in unserem Stück, warum „nein“ nicht als „nein“, sondern als „vielleicht“, „doch“, oder manchmal sogar als “ja” verstanden wird, wenn eine Frau es sagt. Warum haben wir alle gelernt, dass das Nein einer Frau normalerweise ein verdecktes “Ja” ist? Dass ein Nein, das oft genug hinterfragt wird, zum „Ja“ wird. Wir wollen verstehen, woher solche Gedanken kommen, die katastrophale Konsequenzen haben, nicht nur für Frauen, sondern auch für die ganze Gesellschaft. Wir erhoffen von unserem Publikum ein aktives, ehrliches und offenes Mitmachen, engagierte Diskussionen, Interventionen, und eine gewisse Erwartung daran, die Realität zu ändern.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Legislatives Theater“/„Forumtheater“/„Theater der Unterdrückten“ ?

Die Welt ist voller Unterdrückungen. Wenn wir sie einfach anschauen und nichts dazu sagen, werden wir zu Opfern, werden wir zu Mitläufern. Wenn man Unterdrückungen sieht, muss man was unternehmen! Das ist unsere Verantwortung als Bürger, als Menschen auf der Welt. Wir wollen eine Gesellschaft erschaffen, frei von Diskriminierung, Anwürfen und Hass. Wir arbeiten daran, mit unserem Theater diese Gesellschaft zu entdecken und zu realisieren. Wir sagen, dass das Forum Theater nur ein Probelauf für die reale gewaltfreie Revolution ist. Forumtheater ist die ästhetische Darstellung eines realen Problems und seines sozialen, politischen und historischen Kontexts. Nach der Aufführung wird das Publikum aufgefordert, an Stelle der Protagonist*in Lösungsansätze zur Veränderung der auf der Bühne gezeigten Realität selbst zusammen mit den anderen Schauspieler*innen zu improvisieren. Die Interventionen, die wir bei unserem Forum erleben, sollen als konkrete Möglichkeiten und Beispiele wahrgenommen werden. Wir versuchen es hier, gemeinsam in diesem beschützten Raum, um es dann nach außen zu tragen! Legislatives Theater geht ein Stück weiter. Wir fragen dann nicht nur nach Hilfe von unserem Publikum, sondern auch von Expert*innen – Anwält*innen, Politker*innen, Aktivist*innen.

Was wollen die Madalenas mit dem „Theater der Unterdrückten“ erreichen?

Bei dem Forumtheater geht es um einen Austausch von Perspektiven, bei dem die Diversität des Publikums eine Bereicherung für die Diskussion ist. Mit unseren Veranstaltungen werden diverse gesellschaftliche Zielgruppen wie Frauen in Frauenhäusern, Jugendliche unterschiedlicher Herkunft, geflüchtete Frauen, Student*Innen, Frauenvereinigungen und Migrant*Innen erreicht. Wir führen unseren Dialog anhand konkreter Beispiele und geben gleichzeitig Impulse und inspirieren zu kritischem Denken. Im Forum nach unseren Aufführungen wird das Potenzial zur Transformation gestärkt, weil die Handlungsmacht konkret auf der Bühne erprobt wird. Wir inszenieren unsere Stücke im Bewusstsein, unsere Gesellschaft gemeinsam positiv zu verändern.

Könnt ihr noch was zum transnationalen Netzwerk der Madalenas sagen? Wie hat sich das gebildet, wo, seit wann? Und welche gemeinsamen Aktionen gibt es?

Die Madalenas fingen 2010 in Brasilien an, unter der Leitung von Bárbara Santos, die auch die künstlerische Leitung in Berlin inne hat. Auf unserem Blog http://redmagdalena.blogspot.de/ sind mehrere Madalenas Gruppen aus aller Welt zu sehen. Unser Motto lautet:

Durch die Jahre habe ich mich verändert: ich war eine Heilige, ich war Hexe, ich war Schlampe, aber niemals habe ich geschwiegen, niemals habe ich geschwiegen! Ich bin stark und Kriegerin, das bin ich, aber niemals habe ich geschwiegen, niemals habe ich geschwiegen!“

Wir würden uns sehr freuen, wenn es klappt und wir so noch ein wenig zur Verbreitung eures Aktivismus beitragen können. Wir wollen die Kampagne “Nein heißt Nein” mit Madalenas aus aller Welt diskutieren. Weiterhin machen wir im September 2017 in Berlin das Madalenas Festival “Nein heißt Nein.” Zusammen werden wir als vereinte Madalenas auftreten und dann alle gesammelten Werke, Ideen, und Stücke zurück in jedes Land bringen. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit vieler Kulturen.

Wir bedanken uns ganz herzlich für das Interview und wünschen Euch viel Erfolg für die Zukunft.