Abschiedsworte des Präsidiums zum scheidenden Vorsitzenden Werner Würtele
Liebe Mitglieder des Lateinamerika-Forums, liebe Freundinnen und Freunde!
Das Präsidium hat mich gebeten, einige Worte zu der verdienstvollen Arbeit von Werner Würtele zu sagen. Er wird, wie viele von euch wissen, leider nicht mehr als Präsident des Lateinamerika-Forums aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen kandidieren.
Werner war bereits bei der Gründung des LAF 1994 dabei. Die letzten 8 Jahre ist er unser ‚Präsident‘ gewesen. Mit seiner Energie und Einsatzbereitschaft, seiner starken Motivation und seiner Kreativität und nicht zuletzt seiner spontanen und liebenswürdigen Art, auf Menschen zuzugehen, war er in diesen Jahren unbestreitbar der Motor des LAF. Zu seinen Fähigkeiten gehören wissenschaftliches Arbeiten und Kenntnisse sowie vielseitige und langjährige entwicklungspolitische Erfahrungen, verbunden mit sozialem Engagement. Das waren sehr gute Voraussetzungen für die Position des Präsidenten. Mit seinem starken Engagement für Lateinamerika, seiner Affinität zum weltweiten Web und seinem Perfektionismus baute er die Organisation aus und schuf weitere Arbeits – und Handlungsfelder. Aufgrund seiner vielfältigen freundschaftlich-beruflichen Kontakte sowie Verbindungen zu Institutionen in Deutschland wie in Lateinamerika verfügt er über ein weitgespanntes Netzwerk. Mit dieser Kombination von Fähigkeiten gelang es ihm, zusammen mit dem jeweiligen Präsidium und mit Aktiven, spannende und interessante Veranstaltungen durchzuführen. Dabei waren die Netzwerke zentral. Zugleich setzte er viel daran, diese zu pflegen und zu erweitern. Die Schaffung neuer Kontakte und die Teilnahme an Veranstaltungen anderer entwicklungspolitischer Organisationen wurde zu einem Handlungsfeld, in welches das gesamte Präsidium mit einbezogen wurde.
Die Abende im LAF – so lange Präsenzveranstaltungen noch möglich waren – waren eine Verbindung von intellektuell und politisch anregenden Diskussionsveranstaltungen, an die sich im Anschluss daran die Diskussionen im engen Flur des SEKIS fortsetzen. Die Attraktivität für das Publikum war die Annahme, eine Veranstaltung auf einem hohen qualitativen Niveau zu erleben, sodann eine Debatte mit kompetenten Referent:innen und danach die Begegnungen und den Austausch im informellen Rahmen.
Werner sorgte mit Wein und Empanadas für ein entspanntes Zusammensein in einer fast familiären Atmosphäre, in der die Gespräche mit alten und neuen Bekannten weitergingen. Werner regte diesen Austausch aktiv an. Nicht zuletzt knüpfen wir hier Kontakte mit potenziellen Mitgliedern und möglichen Referenten und Referentinnen, erhielten ein Feed Back zu den Veranstaltungen und, wurden so unserem Anspruch, ein Ort der Begegnung zu sein, gerecht.
Er selbst definierte den Kern seines und unseres Engagements im Rechenschaftsbericht zum Jahr 2015 wie folgt:
„Mit unserem ganz eigenen Profil gelingt es uns, uns von anderen Vereinen und Institutionen, die Themen rund um Lateinamerika-Veranstaltungen anbieten, zu unterscheiden. In unserem Selbstverständnis kommt dies treffend zum Ausdruck: wir sind weder auf ein Land fixiert (wie zB die DBG), noch parteilich gebunden (wie die Stiftungen), unser Themenspektrum ist breit gefächert und weder auf entwicklungspolitische noch auf umweltpolitische Themen alleine fixiert, sondern umfassen auch kulturelle Aspekte der lateinamerikanischen Realität und Geschichte. Wir sprechen daher recht unterschiedliche Gruppen an, denn unser Programm ist keinesfalls beliebig gewählt. Gemäß unserem Selbstverständnis verfolgen wir einen menschenrechtsbasierten Ansatz, der alle Dimensionen nachhaltiger Entwicklung einschließt. Wir sind mehr als eine bloße Plattform zum Austausch von Infos und Positionen. Wir verstehen uns als Teil der (entwicklungs-)politischen und kulturellen Bildungsarbeit Berlins, haben also einen bildungspolitischen Auftrag“.
Insofern versteht Werner das LAF als ein großes Lern-Programm für ALLE Beteiligten: „für unser Publikum, aber vor allem auch für uns selbst! Dabei geht es auch darum, dass jüngere Menschen – unsere Aktiven – erfahren, wie entwicklungspolitische Veranstaltungen vorbereitet und durchgeführt werden. Selbstständigkeit und Mitwirkung werden bei uns großgeschrieben“, meint der Vorsitzende. Seinen Bemühungen richteten sich stets darauf, mehr Aktive und Mitglieder aus der jungen Generation für die Mitarbeit im LAF zu gewinnen.
Jedoch die Planung, Organisation, Durchführung und Nachbereitung der monatlich stattfindenden Veranstaltungen, die Ausweitung und Pflege der Kontakte, die gesamte Organisation und Verwaltung, die Betreuung der eigenen Website und Aktivitäten in den sozialen Medien erforderten großen zeitlichen Aufwand – auch gerade für die Mitglieder des Präsidiums. So kam es vor, dass sich bei der Fülle der Aufgaben die Präsidiumsmitglieder ungleich stark beteiligten – und oftmals Werner einen erheblichen Teil der Arbeit übernahm. „Die Zusammenarbeit im Team macht (fast) allen (fast) immer großen Spaß, doch ganz reibungslos war diese nicht immer“, schrieb er einmal. Er investierte viel Pflege, viel Zeit & Arbeit in die Website des LAF. Die Startseite der alten Homepage fütterte er durchgehend mit neuen Infos. „Die Website ist mein Hobby“, sagte er in einem Gespräch.
Das Team und Teambuilding waren und sind für Werner tragende Säulen des LAF.
Zur Stärkung der Teamarbeit fanden jährliche Klausurtagungen statt, zu der er uns zu sich nach Hause nach Kladow einlud. Sie war ein geselliges und zugleich arbeitsames und produktives Treffen. Ich erinnere mich gerne an unsere Klausur 2019. Es begann mit Kaffee und köstlichem Kuchen, Adriana war ebenfalls anwesend. Es war ein sommerlicher Tag, sodass wir in der Sitzungspause einen wunderschönen Spaziergang am Tegeler See machten. Nach der Rückkehr erwartete uns eine Überraschung: Ein kleines Klavierkonzert eines chilenischen Pianisten, der bei Würteles damals zu Gast war. Auch hier zeigte sich: Der Kreis der Freundinnen und Freunde von Werner und Adriana ist weitgefächert.
Zu Werners HERZENSTHEMEN gehören u.a. die-Situation von Gewerkschaften, das auch Thema seiner Doktorarbeit war. (Wir haben vor kurzem einen Zyklus mit mehreren Veranstaltungen zu Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gemacht. An deren Planung konnte Werner krankheitsbedingt leider nur kurzzeitig teilnehmen, verfolgte sie aber mit großem Interesse). Und ein besonderes Herzensthema ist Brasilien. Einige Aktivitäten des LAF, die für Werner besondere Highlights waren, will ich hier kurz benennen. Dabei durchzieht Brasilien und das politische Bestreben, die Öffentlichkeit auch jenseits der Vorträge im SEKIS anzusprechen, bis heute die Aktivitäten des LAF.
Auch nächste Woche wird es – allerdings wiederum digital – erneut eine Amazonien -Veranstaltungsreihe in Kooperation mit dem Klimabündnis und FDCL mit vergleichbarem Zuschnitt geben, wie wir sie bereits vor 2 Jahren durchgeführt haben.
Zu den Highlights des LAF in jüngster Zeit gehört zweifelsohne die Veranstaltung mit dem aus der Haft entlassenen Lula da Silva am 10. März 2020. Sie wurde organisiert von einem breiten Spektrum von Gruppen und Organisationen der Zusammenarbeit mit Brasilien, darunter auch das LAF. Finanzielle Unterstützung kam von der Friedrich-Ebert-Stiftung und IG-Metall. 800 Teilnehmer:innen feierten den Gast. Die Eröffnungsrede im Namen der Organisatoren hielt unser brasilianisches Präsidiumsmitglied Didice Godinho Delgado.
Über die Jahre hinweg gab es viele Höhepunkte – sie alle zu nennen, würde die Zeit nicht reichen. Aber vier aus der letzten Zeit sollen genannt werden:
28.11. 2019 fand in Kooperation mit FES und in deren Räumlichkeiten eine Veranstaltung zum Wahlausgang in Bolivien, Argentinien und Uruguay statt. Zur Analyse der Wahlen in Uruguay war der dortige Vertreter der FES per Video zugeschaltet. Die Veranstaltung war außerordentlich gut besucht.
7.3.2020 ging es um Luchas indígenas en tiempos del neo-extractivismo. Hier konnten wir in der Zusammenarbeit mit dem Institute for Andvanced Sustainability Studies – IASS Potsdam, der Infostelle Peru und dem FDCL indigene Vertreter aus Ecuador, Peru und Bolivien zu Worte kommen lassen. Unsere Räumlichkeiten im SKIS waren überfüllt bis in die Gänge hinaus – Wir freuten uns über viele Junge, viele Latinos und Latinas, viele neue Gesichter.
Am 21.9. 2020 fand die Hybrid-Präsenz-Online Veranstaltung zur Wasserprivatisierung in Chile statt. Sie erfolgte in Kooperation mit dem Förderkreis des Ibero-Amerikanischen Instituts in dessen Räumen und war maßgeblich von Werner organisiert worden. Er moderierte sich auch – fachlich sehr versiert.
Ein Höhepunkt besonderer Art war Werners Dienstreise nach Rondonia, einem brasilianischen Bundesstaat in Amazonien. Anlass war ein dreitägiges Seminar zum 20-jährigen Bestehen der brasilianischen Nicht-Regierungsorganisation Rioterra, zu der es bereits seit geraumer Zeit Kontakte gab. Dort erlebte er die verheerenden Folgen der Wirtschaftspolitik von Präsident Bolsonaro und den Einsatz, aber auch die großen Schwierigkeiten von NGOs und der ansässigen indigenen Bevölkerung, die vollständige Zerstörung Amazoniens zu verhindern. „Wir fuhren Hunderte von km und sahen nur abgebrannte baumlose Felder“, schrieb er. Hier war aus dem Wald ein Zentrum der Soja- und Fleischproduktion geworden. Eine Erfahrung, die Werners Motivation zur Verstärkung unserer Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Amazonien im LAF anheizte.
Es besteht kein Zweifel: Werner hat sich um die Ziele unseres Vereins sehr verdient gemacht. Mit den vielseitigen Veranstaltungen hat er wichtige Diskussionen angeregt und gefördert. Dafür bedanken sich das Präsidium und wir alle. Mit Werner geht eine Epoche des LAF zu Ende. Aber er ist ja nicht aus der Welt. Und daher wünschen wir uns, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten uns weiterhin mit Rat und Tat zur Seite steht. Wir alle würden uns sehr darüber freuen. Und wir wünschen Dir, Werner, dass Deine Gesundheit schnell wieder hergestellt ist und die alte Lebensfreude wieder vollkommen erwacht.