Menschenrechtsverletzungen und indigener Widerstand in Honduras
In einer LAF-Veranstaltung zum Thema Menschenrechte und indigener Widerstand in Honduras diskutierten am 16. März die Referent/innen Ursula Klesing-Rempel (Deutscher Volkshochschul-Verband DVV International), Rita Trautmann (Menschenrechtskollektiv CADEHO/ HondurasDelegation), Dr. Ilse Schimpf-Herken (Internationale Erwachsenenbildung und Gründerin des Paulo Freire Institut Berlin) und Daniel Kempken (bis Mitte 2016 an der Deutschen Botschaft in Honduras tätig).
Ein Jahr nach dem Tod der indigenen Aktivistin Berta Cáceres, wollte das Lateinamerika- Forum wissen: Hat sich die Lage marginalisierter ethnischer Minderheiten in Hinblick auf die Durchsetzung ihrer Menschenrechte verbessert? Wie können sie sich angesichts der gewaltsamen Enteignung und Zerstörung ihres Territoriums durch mächtige Gegner wie Staudammbauer, Großkonzerne und staatliche Akteure wehren? Trotz der besorgniserregenden Menschenrechtssituation in Honduras finden die Übergriffe und Ermordung, die an der indigenen Bevölkerung begangen werden, leider immer noch wenig mediale Resonanz.
Die Antworten der ReferentInnen auf diese Fragen fielen sehr unterschiedlich aus: der rechtliche Rahmen zum Schutz indigener Völker auf den sich Menschenrechtsaktivisten und indigene Widerstandsgruppen berufen, ist die
„Erklärung 61/295 der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker“ (2007) und die
Konvention 169 der ILO (Internationale Arbeitsorganisation). Sie bilden die Grundlage für das Selbstbestimmungsrecht indigener Völker in Bezug auf ihre Territorien und Ressourcen sowie ihr Recht auf gesellschaftliche Partizipation. Auf dem Papier soweit so gut. Die Runde stimmte überein, dass die Rechtswirklichkeit z. T. ganz anders aussieht. Es fehlt an Rechtsverbindlichkeit und konsequenter Umsetzung der Konventionen.
Gegner der Umsetzung internationaler Normen sind in Honduras wie anderswo einflussreiche Akteure aus Wirtschaft und Politik, die aus ökonomischem und angeblich nationalem Interesse, indigene Lebensräume systematisch zerstören (Neo-Extraktivismus). Großplantagen, Holzwirtschaft und Bergbau auf indigenen Ländereien, aber auch Groß-Wasserkraftwerke wie der Agua Zarca-Staudamm sind verantwortlich zu machen. Die daraus entstehenden Konflikte in Kombination mit einem hohen Maß an Korruption, Straflosigkeit (80 Prozent bei Tötungsdelikten laut Interamerikanischer Menschenrechtskommission) und einer der höchsten Mordraten weltweit machen Honduras zum gefährlichsten Land für Umwelt-Aktivisten (Global Witness-Bericht: „Honduras – der tödlichste Ort, um die Erde zu verteidigen“). Seit 2010 sind 123 Umweltaktivisten ermordet worden.
Den persönlichen Erfahrungen der Referentinnen zufolge, die sich durch eine Reise in die betroffenen Gebiete vor Kurzem ein Bild der Situation der indigenen Gemeinden, insbesondere der Tolupanes und Lenca machen konnten, würde weiterhin durch Kriminalisierung, Hetzkampagnen, Verhaftungen, Einschüchterung und Ermordung versucht, den Widerstand indigener Aktivisten zu brechen. Für die Einforderung und Umsetzung ihrer demokratischen Rechte fehlen den Indigenen nach wie vor die notwendige Lobby und die Mittel. Die Referentinnen schliessen sich der Forderung an, nach der offene Diskussionen ermöglicht werden sollen, beispielsweise über ökologisch nachhaltigere Wirtschaftsformen als Alternative zum Extraktivismus, ohne dass Kritiker um ihr Leben fürchten müssen.
Um die Position der indigenen Bevölkerung zu stärken, spielt laut Dr. Ilse Schimpf-Herken hier der Bildungsprozess eine zentrale Rolle: Zum einen sei es die Aufgabe von Schulen, Lehrern und Dozenten dabei zu helfen, durch kulturelle Bildung ein Bewusstsein für die eigene Kultur und ein positives Selbstverständnis innerhalb der indigenen Gemeinden zu schaffen, um ihrer gesellschaftlichen Marginalisierung entgegenzuwirken. Zum anderen müssten sie den Gemeinden auch Kenntnisse über die eigenen Rechte vermitteln. Diesbezüglich sei das Engagement der Lehrerinnen und Lehrer und lokalen Bildungsinstitutionen ein wertvoller Beitrag, der weiter gefördert werden müsse.
Der ehem. Referent für wirtschaftliche Zusammenarbeit und stellvertretende deutsche Botschafter in Tegucigalpa Daniel Kempken vertrat in der Diskussion den „anderen Blick“. Für ihn gibt es auch positive Entwicklungen zu verzeichnen: er nannte die Steigerung der nationalen Wirtschaftsleistung, Fortschritte bei der Strafverfolgung und Bekämpfung der grassierenden Korruption, sowie einen Rückgang der Mordraten um 50%.
Herr Kempken erkannte neuerliche Bemühungen seitens des Staates zur Einhaltung der Menschenrechte, einschließlich indigener Rechte und Schutz von Menschenrechtsaktivisten. Seit 2016 gäbe es Entwürfe für ein nationales Umsetzungsgesetz des ILO Abkommens 169, erarbeitet in Kooperation zwischen der Regierung und UNDP (indigene und afro-honduranische Organisationen wie OFRANEH und COPINH legten dazu allerdings einen Gegenentwurf vor). Zudem habe die Regierung 2016 den indigenen Miskitos 1,4 Mio. Hektar Land in der Mosquitia übergeben, das sind 12% des nationalen Territoriums. Der indigene Anteil an der honduranischen Gesamtbevölkerung beträgt 9%.
Zwischen 2013 und 2016 sei eine weitgehende Befriedung von Bajo Aguán in Zusammenwirkung aller Akteure erreicht worden, zwischen Indigenen, Kleinbauern, Genossenschaften, Bürgermeister/innen, NRO, Palmölproduzent Dinant, Weltbank, Regierung, Polizei und Militär. Alle Sicherheitskräfte seien hier entwaffnet worden und hätten eine Schulung zu Menschenrechten, Umweltfragen und zur Situation indigener Gruppen erhalten.
2015 habe eine Sitzung des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Honduras stattgefunden. Und es wurde ein Gesetz zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger/innen verabschiedet.
Um weitere Verbesserungen zu erreichen, sei vor Allem die Zusammenarbeit von „Koalitionen der Willigen und Dialogbereiten“ notwendig, die man sowohl auf Seiten des Staates, wie auch der Zivilgesellschaft und den Indigenen finden könne. Diplomaten, Menschenrechtsgruppen und andere NGO´s könnten hier eine unterstützende Rolle bei der Kommunikation zwischen Staat und Zivilgesellschaft spielen. Die Aufgabe der deutschen Botschaft sieht Herr Kempken darin, zwischen den Lagern Brücken zu bauen und zum Dialog beizutragen.
Fazit. Die unterschiedlichen Einschätzungen und Auffassungen zur Menschenrechtslage in Honduras blieben neben einander stehen. Auch von Daniel Kempken wird die Menschenrechtslage in Honduras kritisch eingeschätzt, aber weit weniger dramatisch als durch die HondurasDelegation. Umstritten blieb, ob es tatsächlich ein nennenswertes Bemühen der Regierung um die Verbesserung der Menschenrechtssituation und ob es wirklich Fortschritte gibt.
Honduras ist und bleibt ein stark von den USA abhängiges Land, dessen Elite den Staat als ihr auszubeutendes Eigentum betrachtet.
Beim indigenen Widerstand handelt es sich um einen sehr ungleichen Kampf, der trotz scheinbar aussichtsloser Lage weitergeht und in Zukunft hoffentlich zu mehr Gerechtigkeit für die unterdrückten Völker des Landes führen wird.
Auch und gerade das Kontroverse wurde vom Publikum geschätzt. Einig war man sich, dass der Abend Anstöße gab, sich einmal mit diesem weißen Fleck auf der Landkarte, der da Honduras heißt, näher zu befassen. Damit sich jeder und jede ein eigenes Bild von der Lage in diesem schönen, armen, von Gewalt und Ungleichheit geprägten, widersprüchlichen Land machen kann.
Ein Beitrag von Friederike Thoma, ehrenamtliche Mitarbeiterin des LAF Berlin e.V. zur Veranstaltung des LAF am 16.3.2017:
„Honduras – indigener Widerstand gegen Gewalt und Unterdrückung. Erfahrungsberichte zur indigenen Verteidigung von Territorium und Autonomie sowie zur Schulbildung. Mit Ursula Klesing-Rempel, Rita Trautmann und Dr. Ilse Schimpf-Herken.
Aus anderer Perspektive: Daniel Kempken.“
Fotos: Werner Würtele und Rita Trautmann