Migration in Lateinamerika zwischen Menschenrechten und Abschottung
Von Mobilität zu Migration und Immobilität: Getrieben durch Faktoren wie vorherrschende Gewalt, Armut, Perspektivlosigkeit und den spürbar werdenden Auswirkungen der Klimakrise entscheiden sich immer mehr Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen und sich auf die Suche nach einem besseren Leben außerhalb ihrer Landesgrenzen zu begeben. Doch die Flucht aus dem eigenen Land beinhaltet mehr als die physische Überwindung von Landesgrenzen. Vielmehr sind es die unsichtbaren, politischen und gesellschaftlichen Grenzen in Transit- und Zielländern, welche sich in Form von Visaregularien, Asylrestriktionen und sozialer Ausgrenzung äußern. Die Veranstaltung des LAF Berlin e.V. beleuchtete beispielhaft mehrere Migrationskorridore in Lateinamerika, um die Komplexität der Migrationsbewegungen und soziopolitischen Grenzziehungs- bzw. Grenzaushandlungsprozesse aufzuzeigen.
Migration von oder über Mexiko in die USA unter der Migrationspolitik von Präsident Trump: Der Migrationskorridor Mexiko-USA gilt als bevölkerungsreichste Route der Welt. Doch der amtierende US-Präsident Trump versucht dies in seiner zweiten Amtsperiode zu ändern. Mit stärkeren Sicherheitsvorkehrungen an der Grenze sowie einem radikalen Deportationsvorgehen sorgt die Regierung Trumps dafür, Migrant*innen von Lateinamerika aus den USA fernzuhalten bzw. in ihre Heimat zurückzuschicken. Mexiko, ehemaliges Transitland, wird nun zum Zielland oder Rückkehrdestination deportierter Migrant*innen, ungeachtet, ob diese aus Mexiko oder einem anderen lateinamerikanischen Land kommen. Während Mexiko für staatsangehörige Rückkehrende eine besondere Unterstützung bietet, um ihnen die Wiedereingliederung zu erleichtern, sind derartige Hilfeleistungen für Nicht-Mexikaner:innen nur unzureichend vorhanden. Wie in vielen anderen Ländern verändert sich die Migrations-, Visa- und Asylpolitik Mexikos sehr schnell. Ein selektives, zum Teil undurchsichtiges Verfahren, meist zugunsten der wirtschaftlichen Interessen des Landes hinsichtlich des Bedarfs an Arbeitskräften, entscheidet individuell über Aufenthaltsgenehmigungen.
Migration von Kolumbien und Venezuela nach Deutschland: Kolumbien selbst ist sowohl Transitland als auch Zielland für viele venezolanische Flüchtlinge. Die Regierung vergibt einen großzügigen Schutzstatus, um geflohenen Venezolaner*innen einen Aufenthalt von bis zu 10 Jahren in Kolumbien zu gewähren. Dennoch entscheiden sich viele Geflüchtete, Kolumbien lediglich als Transitland zu nutzen und ihre Reise weiter in Richtung Norden nach USA oder Europa fortzusetzen. Gleichermaßen verlassen viele Kolumbianer*innen das Land in der Hoffnung, sich in Europa ein besseres Leben aufbauen zu können.
Doch Erfahrungsberichte zeigen, dass die europäische Migrationspolitik sowie das gesellschaftliche Denken über Migration die Integrationsversuche von Kolumbianer*innen erschweren. Trotz vermehrter politischer Unruhen und vorherrschender Gewalt gilt Kolumbien in Europa als sicheres Herkunftsland. Persönliche Risiken hinsichtlich individueller Bedrohung von Gewalt und Verfolgung werden selten geprüft, wodurch Asylanträge von Kolumbianer*innen häufig abgelehnt werden. Unklarheiten, Ungewissheiten und eine soziale Sonderstellung, während der Asylbeantragungsprozesse sowie die ständige Angst vor Ablehnung, verbunden mit einer vorherrschenden gesellschaftlichen Stigmatisierung von Migrant*innen erschweren deren Integration im Zielland.
Globale Entwicklungen von Migration und Migrationspolitiken: Migrationskorridore befinden sich in stetigem Wandel. Durch die sich schnell verändernden Sicherheitslagen und Migrationspolitiken der Transit- und Zielländer verändern sich auch die Migrationsrouten und -ströme. In Anbetracht einer steigenden Abschottung sowohl in Europa als auch in den USA sind die aktuellen Grenzübertritte sowie Visa- und Asylanträge gesunken. Gleichzeitig spielt die Rückmigration eine immer größere Rolle, sowohl durch Deportation als auch durch sogenannte „freiwillige“ Rückkehrprogramme. Jedoch ist zu vermuten, dass der Rückgang von transkontinentaler Migration mit einem Anstieg interkontinentaler Migration einhergeht, indem benachbarte Länder, welche über bessere wirtschaftliche Verhältnisse verfügen und politisch stabiler sind, zu neuen Zielländern werden. Zudem ist es wahrscheinlich, dass der aktuelle Rückgang von transkontinentaler Migration lediglich temporär ist, da eine Kürzung der Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit, wie beispielsweise der Wegfall von USAID, aber auch die Verringerung von Finanzmitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, eine Verschlechterung der Umstände in Herkunftsländern bedeutet, wodurch sich die Fluchtursachen verschärfen. Sowohl ethisch als auch langfristig gedacht, ist es deshalb wichtig, weiterhin in die Bekämpfung von Fluchtursachen zu investieren, Menschenrechte und Menschenwürde durch mehr Integration und einer Vereinfachung von Asyl- und Visaanträgen zu schützen und humanitären Katastrophen nicht mit Abschottung, sondern mit Solidarität zu begegnen.
Ein Veranstaltungsrückblick von Christina Hettrich (Praktikantin des LAF Berlin)
Eine Veranstaltung des LAF Berlin und der ila Bonn in Kooperation mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung und FDCL in Anlehnung an den ila-Schwerpunkt 489 Migration.
Beitragsbild: Greta Granados, CC BY-NC-ND 2.0
