Chinas wachsender Einfluss in Lateinamerika

Merksätze aus der LAF Onlineveranstaltung am 27.8.2020 zu: „Chinas wachsender Einfluss in Lateinamerika“. Mit Prof. Dr. Klaus Bodemer (LAF Berlin) und Prof. Dr. Stefan Schmalz (LAI FU Berlin). Moderation: Dr. Werner Kamppeter Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann auf YouTube angesehen werden. „Für unsere Geschichtsschreibung stand und steht Europa im Mittelpunkt. Bis in die Anfänge […]

Merksätze aus der LAF Onlineveranstaltung am 27.8.2020 zu: „Chinas wachsender Einfluss in Lateinamerika“.

Mit Prof. Dr. Klaus Bodemer (LAF Berlin) und Prof. Dr. Stefan Schmalz (LAI FU Berlin).

Moderation: Dr. Werner Kamppeter

Die Veranstaltung wurde aufgezeichnet und kann auf YouTube angesehen werden.

„Für unsere Geschichtsschreibung stand und steht Europa im Mittelpunkt. Bis in die Anfänge der Neuzeit jedoch war Europa eher eine Marginalie in der Weltgeschichte, Peripherie des Riesenreiches China. Die europäischen Höfe blickten im 18. Jahrhundert noch neidisch auf die chinesische Hochkultur.“

„Die Demütigungen des 19. Jahrhunderts zu korrigieren, spielen in der chinesischen Außenpolitik bis heute eine Rolle.“
„Ab 1978/79, nach dem „Großem Sprung“ und der „Kulturrevolution“, machte sich China sehr pragmatisch auf den langen Weg in den Kapitalismus. Seine Ökonomie nahm ab 2000, s. anhaltend hohe Wachstumsraten, beschleunigt Fahrt auf. China erlebte einen grundlegenden internen Wandel.
Im Gegensatz zum Credo von IWF und Weltbank spielte der Staat als Investor zusammen mit den überseeischen chinesischen Communities eine treibende Rolle.
Das autoritäre Regime mit der KP als der lenkenden und vereinenden Kraft legitimierte sich primär durch wirtschaftliche Erfolge.
War China einst natürlicher Verbündeter der USA gegen die UdSSR, so steht man heute in politischer und ökonomischer Konkurrenz zueinander, egal ob der US-Präsident nun Trump oder Biden heißt.

Die in den 50er/60er Jahren von lateinamerikanischen Wirtschaftsfachleuten (CEPAL) propagierte Strategie einer selektiven Integration in den Weltmarkt gelang China in den letzten 40 Jahren mit Erfolg, nicht zuletzt dank seines riesigen Binnenmarkts im Rücken. Entscheidend war Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO (2001). Mit der wachsenden Mittelschicht (200-300 Mio. Menschen) nahm Chinas Nachfrage nach Rohstoffen und Lebensmitteln im Weltmaßstab zu. Eine der Folgen: land grabbing.

Beziehungen China – Lateinamerika: Das traditionelle, asymmetrische Beziehungsschema „Zentrum (Fertigwaren aus Industrieländern) vs. Peripherie (Rohstofflieferant aus sog. Entwicklungsländern)“ wurde in Lateinamerika (und nicht nur dort) durch das Auftreten Chinas auf dem Weltmarkt noch verfestigt.
Es genügt in die Handelsstatistiken seit 2000 zu blicken. China löste die USA ab und entwickelte sich zum Handelspartner Nummer 1 bzw. 2 in nahezu allen lateinamerikanischen Ländern. Wachsend auch der Anteil bei Investitionen und Kreditvergabe. China und Lateinamerika ergänzen sich. Chinas Unterstützung ist angesichts der großen Defizite Lateinamerikas etwa auf dem Gebiet der Infrastruktur  hoch willkommen. Das Angebot chinesischer Billigwaren der ersten Stunde wurde inzwischen durch Qualitätswaren und Hightech ergänzt.
Kennzeichen der aktuellen Wirtschaftsstrategie: z. T. aggressives Land Grabbing, Investitionen in Bergbau- und Industrieunternehmen sowie Infrastruktur. Auch im Banken- und Kreditwesen spielt China eine zunehmend wichtige Rolle.

Die Luftverschmutzung in Peking rüttelte das Land auf. Die Regierung beschloss strenge Auflagen für Umweltsünder. Die Notwendigkeit einer wirkungsvollen Umweltpolitik wurde erkannt. China investiert heute massiv in erneuerbare Energien.
Für lateinamerikanische Regierungen, egal welcher Couleur ist China ein interessanter Partner und Alternative zu anderen Kreditgebern (wie z.B. IWF und WB). China bindet Projekt- und Finanzzusagen nicht an Bedingungen zur Einhaltung der Menschenrechte. Bei Schuldenrückzahlungen afrikanischer Länder hat sich China als großzügig erwiesen.

China provoziert die USA nicht. Militärische Stützpunkte außerhalb Chinas gibt es so gut wie keine (Ausnahme Dschibuti). China war in den letzten Jahren in keinen Krieg ernsthaft verwickelt. Die militärische Dimension könnte aber in der Zukunft eine Rolle spielen.
China reagiert sensibel auf ausländische Kritik. Doch: Bevor wir China wegen Missachtung von Menschenrechten und Umweltabkommen anklagen, sollten wir uns an der eigenen Nase fassen. Die Umweltzerstörung Amazoniens wird von allen Global Players vorangetrieben.

Zum Nachlesen: „O Brasil no confronto USA-China“, Mario Maestri, Contrapoder 28.8.2020, https://contrapoder.net/colunas/o-brasil-no-confronto-usa-china/?fbclid=IwAR3QEfYKCn_hUHk-fRK0DTjxGfKHfhboe-wqwJxBKEOHaxLmP0srC6yYFSY