Es reflektieren diese seltsam anmutende Frage mit Ihnen: Gregor Barié zu Bolivien, Dr. Hugo Calderón zu Chile und Helga Dressel zu Brasilien, Moderation: Didice GodinhoDelgado, Dr. Juliana Ströbele-Gregor und Werner Würtele
Kommt nach dem Linksruck der Nuller Jahre und dem Rechtsruck der letzten 10 Jahre nun eine „Rückwärts-Wende“ in Lateinamerika? In Anbetracht des Wahlausgangs in Mexiko (2018), in Argentinien (2019) und nun in Bolivien sowie dem Plebiszit in Chile könnte man das fast annehmen. Auch Bidens Erfolg dürfte die Spielräume für eine progressive Politik in Lateinamerika und der Karibik etwas erweitert haben. Bei der Einschätzung des Ausgangs der Kommunalwahlen in Brasilien scheiden sich (noch) die Geister …
Schauen wir uns die drei Länder genauer an, in denen gerade Wahlen bzw. Plebiszite stattgefunden haben:
Präsidentschaftswahlen in Bolivien: 18.10.2020
¡Sorpresa! Luis Arce, der Kandidat der sozialistischen Partei MAS, ist mit mehr als 55% der Stimmen neuer Präsident. Wie kam es zu diesem überraschenden Wahlergebnis? Vor welchen Herausforderungen steht Arce jetzt? Wird er an das frühere emanzipatorische Projekt anknüpfen – Recht der Mutter Erde, Buen Vivir? Wird Evo Morales sich mit einer Nebenrolle abfinden? Und Camacho in Santa Cruz?
Plebiszit in Chile: 25.10.2020
¡Alegria! Mit so einem eindeutigen Ergebnis hatte niemand gerechnet (78%). Chile bekommt voraussichtlich eine Neue Verfassung, angetrieben von einem vorausgegangen über einjährigen Volksaufstand. Um welche Inhalte wird die 155-köpfige Verfassungskommission, gewählt am 21.4.2021, ringen? Eines ist schon klar: paritätisch (Männer und Frauen) und mit einem festgelegten Anteil indigener Vertreter*innen. Wird es “die Linke” schaffen, vereint zu handeln? Die Stärke des Rechtsblocks darf nicht unterschätzt werden. Und wer hat Chancen, die Präsidentschaftswahlen 2021 zu gewinnen? Zur Lektüre sei empfohlen der Beitrag von Ingrid Wehr (HBS) und der Kurzbericht der FES Chile zum Referendum 2020.
Kommunalwahlen in Brasilien: 15.11.2020, Stichwahlen 29.11.2020
Facettenreich. Was war das Besondere an diesen Wahlen? Welche Rolle spielten die jeweilige Persönlichkeit der Bewerber*innen und Klientelismus, die Pandemie, die nationale Politik, darunter die staatlichen Zuwendungen, (soziale und andere) Medien, Kirchenempfehlungen, , Korruption und Gewalt, Umweltkatastrophen, andere Faktoren? Wie ist das Agieren der Parteien des Mitte-Links-Spektrums und der sozialen Bewegungen zu bewerten? Lassen sich aus den Kommunalwahlen Schlüsse für die nationale Politik ziehen? Manche Kommentatoren sehen bereits Bolsonaros Ende eingeläutet – zurecht? Das Ergebnis gemischt: die Arbeiterpartei konnte keinen der wichtigen Hauptstadt-Bürgermeisterposten ergattern, Bolsonaros Kandidaten fielen alle durch, dagegen verzeichneten Mitte-Rechts-Parteien einen deutlichen Zuwachs. Wir bemühen uns um eine differenzierte Analyse.
Diskussion
Angesichts von Pandemie und katastrophalen Wirtschaftslagen in den Ländern: haben sich die Spielräume für eine progressive Politik in Lateinamerika tatsächlich erweitert?
Wir bitten um Anmeldung: anmeldung@lateinamerikaforum-berlin.de
Ein Tag vor der Veranstaltung erhalten Sie den Link zur Teilnahme.
Die Podiumsteilnehmenden
Dr. Hugo Calderon musste mit dem Militär-Putsch Chile 1973 verlassen, und ging nach Deutschland ins Exil. In Deutschland hat er Soziologie studiert, danach eine NGO für Entwicklungsprojekte in Lateinamerika gegründet. Nach Ende der Diktatur wurde Herr Calderón in das chilenische Außenministerium berufen. Mehrere Jahre hat er als Diplomat an der chilenischen Botschaft in Bonn und Berlin gearbeitet.
Gregor Barié ist Regionalwissenschaftler Lateinamerika (UNAM Mexiko) und Master in Menschenrechten
(Universidad de Sevilla). Er lebte lange in Argentinien, Bolivien, Kolumbien und Mexiko. Zwischen 2000 bis 2009 arbeitete er in Bolivien in unterschiedlichen Programmen der Entwicklungszusammenarbeit mit Fokus auf indigene Rechte
und Dialog. Besonderes Interesse widmet er derzeit Konflikten bei der Umsetzung des Konzepts der
Plurinationalität in Bolivien und Ecuador (mit Freie Universität Amsterdam und Centre for Latin American Research and Documentation, CEDLA). Gregor Barié arbeitet seit 2013 in der Deutschen Welle Akademie in Projekten zur Stärkung von Medien- und Informationsfreiheit.
Helga Dressel ist freie Kulturmittlerin und Bildungsarbeiterin in Berlin, tätig als Seminarleiterin und Dozentin für Kultur und Gesellschaft Deutschlands im Bereich der Fortbildung internationaler Multiplikator*innen sowie Kulturmanagerin und Koordinatorin kultureller Projekte. Bisweilen arbeitet Frau Dressel als Lehrbeauftragte an der FU Berlin (insbesondere für Brasilianistik am LAI). Sie verfaßte verschiedene Essays und Kritiken im Bereich der Brasilianistik. Bei den Solo-Selbstständigen in ver.di engagiert sie sich ehrenamtlich.
Den kurzen Rückblick auf die Veranstaltung lesen Sie hier
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Zur Vorbereitung empfehlen wir noch die Beiträge zu Chile und Bolivien in der Nueva Sociedad vom Oktober 2020 (auf Spanisch).
Zum Ausgang der Kommunalwahlen: Mario Schenk
Gewalt vor Kommunalwahlen. El País 9.11.2020, Escalada de violência política nas eleições municipais já soma 82 candidatos ou militantes assassinados, Disputa de votos por milicianos acirra barbárie durante a campanha. Nesta segunda, houve mais um ataque durante uma live na internet
Poder360: Rejeição ao trabalho de Bolsonaro cresce, enquanto aprovação ao governo cai.
Fabian Kern, amerika21 Kooperation Brasilien, Kommunalwahl in Brasilien: Halbzeitbilanz für Bolsonaro? Wahlkampf eingeschränkt durch Corona-Pandemie. Konservative Kräfte versammeln sich in ihren evangelikalen Kirchen. Bei Umfragen zeichnet sich wenig Zustimmung für linke Kandidat:innen ab. Hier mehr ….