Potenziale und Herausforderungen alternativer Wirtschaftsformen – Solidarische Ökonomie als Gegenmacht zum Neoliberalismus?
Beitrag zur Veranstaltung im LAF am 1.2.2018
Die Solidarische Ökonomie (SÖ) beschreibt ein Konzept alternativen Wirtschaftens, welche nicht die Gewinnmaximierung im Sinne der klassischen Ökonomie, sondern den Menschen mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt stellt: sie fußt auf Selbstverwaltung, gegenseitiger Hilfe, Berücksichtigung der nachkommenden Generationen und dem Schutz der Umwelt, sinngemäß Nachhaltigkeit.
Außerdem wird die Wichtigkeit der Kooperationen im Gegensatz zur Konkurrenz betont. Hierbei ist sowohl die demokratische Teilhabe, als auch die kollektive Entscheidungsfindung essenziell und unabdingbar.
Die Podiumsteilnehmer Kurt Damm (Gutachter und Bildungsreferent), Franco di Giangirolamo (italienischer Gewerkschafter), Robin Stock (Promotor für zukunftsfähiges Wirtschaften) und Manfred Schumacher (FairBand) stellten Projekte des Alternativen Wirtschaftens mit Schwerpunkt Brasilien vor und analysierten Potenziale, Herausforderungen und Ergebnisse.
Die Solidarische Ökonomie blickt auf eine lange Tradition zurück, mit Wurzeln in den Genossenschafts- und Gewerkschaftsbewegungen des 19. Jahrhunderts. Ein Vorteil der SÖ ist, dass es sich um einen in der Praxis gelebten Ansatz und nicht um eine allein an den Universitäten diskutierte Theorie handelt. In Brasilien werden bereits 22.000 Betriebe aufgelistet, die sich der Idee der Economia Solidária verschrieben haben.
Die Mehrzahl der heute funktionierenden Betriebe des SÖ wurden aus der Not geboren. Die Beschäftigten wollten sich nicht mit der Schließung ihres Werks – d. h. Arbeitsplatzverlust – abfinden und beschlossen in Versammlungen, dieses in eigener Regie weiterzuführen. Unterstützt wurden und werden sie dabei oft von Universitäten und der katholischen Kirche, zwischen 2003 und 2016 in Brasilien auch ganz offiziell durch den Staat. Die Economia solidária machte mit dem staatlichen Plano Nacional da Economia Solidária einen großen Schritt nach vorne.
Kurt Damm, der gerade von einer Evaluierung von Betrieben der SÖ in Brasilien zurückgekehrt war, teilt die SÖ in drei Kategorien ein:
- Consolidados: sie haben es geschafft, sich auf dem Markt durchzusetzen (z. B. COOPERSOL).
- Empresas em consolidação: diese bedürfen noch der Beratung und Unterstützung von außen
- Empresas não consolidados: stehen noch am Anfang.
Eines der konsolidierten brasilianischen Unternehmen, Justa Trama, liefert ein Paradebeispiel, dass sich aus einem bankrotten Betrieb – nicht zuletzt mit gewerkschaftlicher Unterstützung auch aus Italien – über die Jahre ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen entwickeln kann. Kennzeichen der ökologisch ausgerichteten Textilkooperative Justa Trama mit einem sehr hohen Frauenanteil (wie überhaupt in der SÖ Frauen das Sagen haben) sind Vertrauen in die eigene Kraft, ein fairer Preis, Selbstverwaltung und dass die gesamte Wertschöpfungskette sozial, gerecht und ökologisch organisiert ist.
Zuletzt wurde an dem Abend eine Verbindung zwischen der SÖ und dem Fairen Handel hergestellt.
Der Faire Handel folgt ähnlichen Prinzipien wie die SÖ, ja in Brasilien ist beides identisch. Der Faire Handel geht über Handelsfragen weit hinaus. Sein Ziel ist ebenfalls, zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Produzenten – meist kleinbäuerliche Betriebe – im Süden beizutragen.
Solidarische Ökonomie und Fairer Handel zeigen, und das wurde an dem Abend deutlich, dass es auch anders geht. Hoffen wir, dass aus diesem noch kleinen Pflänzchen bald ein stattlicher Baum wird.
Kristin Bergen, Praktikantin